Ludwigshafen "Sie fingen Kinder mit den Händen auf"

Bilder des Schreckens: Menschen schrien, in Panik warfen sie ihre Kinder aus den Fenstern und sprangen hinterher. Bei dem verheerenden Hausbrand in Ludwigshafen sind neun Menschen ums Leben gekommen, darunter fünf Kinder. Rheinland-Pfalz' Ministerpräsident Kurt Beck schloss eine fremdenfeindliche Tat aus.

Auch einen Tag nach dem Brand stehen Hunderte von Passanten fassungslos vor der Ruine des alten Wohnhauses am Danziger Platz. Hier hatte in der rheinland-pfälzischen Stadt Ludwigshafen ein Großrand neun Menschen das Leben gekostet. Fünf Opfer waren noch Kinder. Mehr als 60 Menschen wurden teilweise schwer verletzt. Etwa 20 werden derzeit noch stationär behandelt. Noch immer steigt schwarzer Rauch aus den gähnenden Fensteröffnungen.

Die Luft ist beißend und reizt die Atemwege. Feiner Ruß verteilt sich im Umkreis mehrerer hundert Meter um den Brandort. "Hier haben sich Szenen abgespielt, die jeden Menschen traumatisieren müssen", sagt Polizeipräsident Wolfgang Fromm. Während des Fastnachtsumzuges war in dem Altbau aus bisher noch unbekannter Ursache ein Feuer ausgebrochen. Das vierstöckige Wohngebäude, dessen Treppenhaus nahezu vollständig aus Holz bestand, stand innerhalb kürzester Zeit in hellen Flammen. Die alte Holztreppe brach binnen Minuten ein und nahm den Menschen den Fluchtweg. Die Rettungskräfte, die wegen des Narrenumzuges ohnehin im Einsatz waren, kamen schon nach wenigen Minuten an den Unfallort.

Einige werfen ihre Kinder in die Tiefe

Dort bot sich ihnen ein Bild des Grauens: Menschen schrien. In Panik sprangen sie aus den Fenstern. "Wer von ganz oben sprang, schlug auf dem Asphalt auf wie ein Geschoss", sagte ein Rettungssanitäter. Einige warfen in ihrer Angst ihre eigenen Kinder in die Tiefe. Die Polizisten, die das Gebäude bereits nach wenigen Minuten wegen der enormen Hitze nicht mehr betreten konnten, fingen die Kinder mit bloßen Händen auf. Andere bildeten "lebende Leitern", um den Eingeschlossenen den Ausstieg aus der Feuerfalle zu ermöglichen. Es waren Bilder, wie man sie seit dem 11. September kennt, wenn Eingeschlossene keine Möglichkeit mehr sehen, ins Freie zu gelangen. Sprungtücher wurden aufgespannt. "Aber in ihrer Panik sind die Leute einfach daneben gesprungen", berichtet ein Augenzeuge.

Die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Eva Lohse ist fassungslos. "Es war ein Bild des Schreckens. Ich werde es nie mehr vergessen." Dennoch wird sie nicht müde, das Engagement der Rettungskräfte zu loben, die bei der "größten Brandkatastrophe der Stadt seit dem Zweiten Weltkrieg unter Einsatz ihres Lebens alles Menschenmögliche getan haben". Noch immer ist das Haus nicht vollständig durchsucht. Es herrscht massive Einsturzgefahr. Und noch immer schwelt es. Der Dachstuhl ist komplett eingebrochen. Weil unklar ist, wie viele Leute zum Zeitpunkt der Katastrophe im Haus waren, sind weitere Opfer nicht auszuschließen.

Erst gab es einen Knall, dann Feuer

Zwei türkische Familien bewohnten das alte Backsteinhaus. Über die Anzahl der Hausbewohner gibt es unterschiedliche Angaben: es sollen zwischen 20 und über 50 gewesen sein. Die Verletzten wurden in die umliegenden Krankenhäuser gebracht. In den chaotischen Wirren der Nacht suchten Menschen stundenlang nach Angehörigen. Verängstigte Kinder wurden in Kliniken behandelt, ohne dass die Eltern wussten, wo sie sind. Andere haben ihre komplette Familie verloren. "Die Szenen waren so schrecklich, dass einige der Einsatzkräfte danach ihren Job aufgeben wollten", sagte Polizeipräsident Fromm. Nun soll eine Kommission klären, wie es zu dem Brand kommen konnte. Der erste Anhaltspunkt: Ein kleines Mädchen, das in dem Haus gelebt hat, soll im Rettungswagen von einem lauten Knall gesprochen haben. Kurz darauf habe das ganze Haus in Flammen gestanden.

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck, der am Montag ebenfalls nach Ludwigshafen gereist war, schloss nach Rücksprache mit den örtlichen Behörden einen fremdenfeindlichen Hintergrund aus. Er appellierte an die Ludwigshafener Bürgerschaft, den Opfern beizustehen. Wie Lohse spendete auch er 5.000 Euro für die Soforthilfe. Die Bürgermeisterin erklärte zudem die Fastnacht in Ludwigshafen für beendet. In der Stadt wurde Trauerbeflaggung angeordnet.

AP
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