Pharao Tutanchamun Ein Inzestkind, von Krankheit gezeichnet

  • von Nina Bublitz
Mit Gentests rücken Forscher Pharao Tutanchamun zu Leibe. So konnten sie seine Abstammung klären und welche Krankheiten ihn vor seinem Tod mit 19 Jahren plagten. Doch viele Fragen bleiben offen.

Neun Jahre währte die Regierungszeit von Tutanchamun, im Alter von 19 endete sein Leben. Sein Körper fand im Tal der Könige Ruhe, mumifiziert und mit der heute weltberühmten Goldmaske in einen kostbaren Sarkopharg gebettet. Bis 1922 der Archäologe Howard Carter das Grab des ägyptischen Pharao entdeckte. Seitdem ranken sich Legenden um den jugendlichen Herrscher, vom angeblichen Fluch, der Grabräuber treffen soll, bis zum Mordkomplott, das ihn das Leben kostete. Und seitdem arbeiten Forscher daran, das Leben und Sterben des Tutanchamuns bis ins letzte Detail zu entschlüsseln. Jetzt sind sie einen großen Schritt weiter, wie ein internationales Wissenschaftlerteam im "Journal Of the American Medical Association" berichtet. Mithilfe genetischer Tests konnte ein Teil seines Stammbaums erstellt werden. Auch über Krankheiten, die Tutanchamun plagten, haben die Forscher einiges herausgefunden.

Tutanchamun regierte in einer unruhigen Zeit. Vor seiner Regentschaft hatte der Pharao Echnaton die ägyptische Götterwelt einer Radikalkur unterzogen. Echnaton, dessen Herrschaft von ca. 1351 bis 1334 v. Chr. dauerte, ging als "Ketzerpharao" in die Geschichte ein. Denn er entmachtete die Priesterschaft und erhob den Sonnengott Aton zum wichtigsten Gott. An Echnatons Seite regierte, nahezu gleichberechtigt, Nofretete. "Die Schöne ist gekommen" bedeutet der Name der Königin, deren Büste im Neuen Museum Berlin zu sehen ist.

Seine Eltern waren Geschwister

Nach Echnatons Tod regierte kurz Semenchkare, der die Glaubensprinzipien seines Vorgängers wieder umwarf. Um 1333 v. Chr. bestieg ein Kind den Thron: Tutanchamun. Ein Pharaonensohn. Aber wessen Kind war er?

Viele Wissenschaftler vermuteten, dass Echnaton der Vater war. Aber auch dessen Vorgänger Amenophis III. sowie sein Nachfolger Semenchkare galten als Kandidaten. Die Schriftstücke aus der Zeit verraten es nicht, ein Vaterschaftstest an altägyptischen Mumien war nicht möglich - bis vor Kurzem. In einem zweijährigen Projekt haben Genforscher das Erbgut von insgesamt 15 Mumien untersucht, darunter das von Tutanchamun. Eine langwierige Angelegenheit, da mehr als 3000 Jahre ihre Spuren in der alten DNA hinterlassen haben. Gleichzeitig musste das Erbgut sämtlicher Mitarbeiter untersucht und mit den Mumien-Proben verglichen werden, um Verunreinigungen auszuschließen. Die Fleißarbeit hat sich gelohnt: Die Forscher aus Ägypten, Italien und Deutschland haben Echnaton als Vater Tutanchamuns ermittelt. Mit dem kleinen Vorbehalt, dass es sich bei der Mumie "KV55" tatsächlich um den Ketzerpharao handelt. Dies ist aber höchstwahrscheinlich; die Forscher haben mithilfe der Genanalysen einen Stammbaum über fünf Generationen erstellt: von Echnatons Großeltern Juja und Tuja, über seine Eltern Amenophis III. und Königin Teje zu Echnaton selbst bis hin zu Tutanchamun. Viele dieser Verwandtschaftsverhältnisse sind zu mehr als 99,9 Prozent gesichert, schreiben die Forscher. Der Stammbaum reicht bis hin zu zwei Töchtern Tutanchamuns, die während bzw. kurz nach ihrer Geburt starben und mit ihm begraben wurden. Bei diesen war das Erbgut zu stark beschädigt, um mit hoher Sicherheit den jugendlichen Pharao als Vater zu bestimmen.

Wer Tutanchamuns Mutter war, können die Forscher nicht beantworten. Zwar war ihre Mumie ein Teil der Untersuchung. Doch um wessen Leichnam es sich bei der Mumie "KV35YL" handelt, bleibt ein Rätsel. Allein: Nofretete war es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht. Denn die "Jüngere Dame aus dem Grab 35 im Tal der Könige", die im Alter von 25 bis 35 Jahren starb, war gleichzeitig Echnatons Schwester. Diese Form von Inzest war bei den Pharaonen nicht ungewöhnlich, Tutanchamun selbst war mit seiner Halbschwester Anchesenamun verheiratet. Nofretetes Abstammung liegt zwar im Dunkeln, aber wenn sie eine Tochter von Amenophis III. und Teje gewesen wäre, müsste das bekannt sein. Nebenfrau Kija scheidet aus gleichem Grund aus. Als Kandidatinnen verbleiben nach Aussage der Forscher Nebetiah und Beketaten, zwei Schwestern des Pharao, die eventuell mit ihm verheiratet waren.

Die Leiden des Pharao

Was für ein Luxusleben der Jugendliche, der nach seinem Tod so prachtvoll bestattet wurde, wohl geführt haben muss? Die Antwort auf diese Frage fällt ernüchternd aus. Im Computertomografen zeigten sich ebenso wie durch Gentests die Krankheiten, unter denen Tutanchamun litt. Wegen einer Knochenkrankheit am linken Fuß, der so genannten aseptischen Knochennekrose, konnte er sich wohl nur mithilfe eines Stocks fortbewegen. Dass Howard Carter in der Grabkammer 130 Stöcke fand, einige davon mit Gebrauchsspuren, unterstützt die These, dass Tutanchamun auf eine Gehilfe angewiesen war. Zudem litt der junge Pharao an der Tropenkrankheit Malaria, sogar an der gefährlichsten Variante. Woran er letztendlich starb, bleibt jedoch Mutmaßung. Eventuell haben ihn beide Krankheiten zusammen so geschwächt, dass er nur 19 Jahre alt werden konnte. Im seinem Grab finden sich Reste von Pflanzen, die Fieber senken und Schmerzen lindern sollen. Eine Gabe für einen 19-jährigen Toten, dessen Leben von Gebrechlichkeit gezeichnet war.

Den Verdacht auf eine andere Krankheit haben die Forscher indes widerlegt. Wegen der feminin anmutenden Darstellungen von Tutanchamun und Echnaton kam die These auf, dass die Pharaonen an einer Erbkrankheit litten, dem Marfan-Syndrom vielleicht. Dies lässt sich nach den neu gewonnenen Erkenntnissen ausschließen: Beide Pharaonen sahen in der Realität nicht besonders weiblich aus. Sie ließen sich lediglich auf Bildern in dieser Form verewigen. Die Forscher betonen in ihrem Fachaufsatz, dass die ägyptischen Pharaonen sich in idealisierter Weise darstellen ließen. Dies belegt eine Analyse der Büste von Nofretete: Während eine untere Schicht das tatsächliche Abbild Nofretetes zeigt, hat die obere Schicht der Büste idealisierte Augenlider und auch eine schönere Nase. Warum sich die beiden Pharaonen feminin darstellen ließen, bleibt jedoch rätselhaft. Aber einige Geheimnisse, einen Hauch von Mythos, sollten sich die alten Pharaonen ja auch bewahren.

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