Stottern Wenn der Mund nicht spricht, was der Kopf sagt

Stotterer gelten vielen Menschen als dumm und gestört. In Wahrheit ist ein gestörter Nervenimpuls schuld an der Sprachstörung. Heilung gibt es nicht, wohl aber Linderung.

Das Wort ist im Kopf, aber der Mund weigert sich, es auszusprechen. Im Moment des Stotterns weiß der Stotternde genau, was er sagen möchte. Aber es ist einfach nicht störungsfrei herauszubringen. Für die 800.000 Stotterer in Deutschland ist die Ursache dieses Phänomens eher nebensächlich. Entscheidend ist für sie, wie die Sprechängste abgebaut werden können.

"Das Image von Stottern ist in unserer Gesellschaft sehr schlecht. Stottern wird oft mit Dummheit gleich gesetzt", sagt Ruth Heap, Geschäftsführerin der Bundesvereinigung Stotterer-Selbsthilfe . Anlässlich des Welttages des Stotterns an diesem Samstag will die Vereinigung mit Sitz in Köln auf die Probleme stotternder Menschen aufmerksam machen.

Schuld sind verirrte Nervenimpulse

Stottern beginnt in der Sprechphase eines Menschen zwischen zwei und sechs Jahren. Etwa fünf von 100 Kindern leiden darunter. Aber nicht jede Sprachunregelmäßigkeit sollte Eltern beunruhigen. Wichtig sei, dass Eltern aufmerksam sind und sich auch nicht scheuen, Experten um Rat zu fragen. "Stottern ist ursächlich körperlich bedingt. Es ist keine psychische Störung", stellt Heap klar. Nervenimpulse kämen einfach nicht richtig im Sprachzentrum an.

Der 52-jährige Angestellte Konrad Schäfers erinnert sich noch gut an viele demütigende Situationen: "In meiner Stotter-Karriere habe ich oft die Vermeidungsstrategie angewendet. Ich saß im Unterricht, wusste die Antwort, habe mich aber aus Angst vor den Reaktionen nicht gemeldet." Aber auch heute noch gibt es immer wieder Konfrontationen. Bei einem Verkaufsgespräch habe sich beispielsweise auf einmal die Verkäuferin seiner Frau zugewendet und mit ihr das Gespräch weiter geführt. "Das ist ein kleines Stück Entmündigung." Schäfers wünscht sich, dass das Umfeld mehr Sensibilität zeigt, und es mehr Raum für von der Normalität abweichendes Verhalten gibt.

Linderung ist möglich, Heilung nicht

Mittlerweile gibt es viele gute Therapiemethoden, die das Stottern lindern können. "Wichtig für Eltern ist vor allem, Kinder nicht zu verbessern, zu unterbrechen oder zu ermahnen", erklärt die Sprachtherapeutin Kerstin Weikert. Aber es sei sehr sinnvoll, mit den Kindern über das Stottern zu sprechen, wie man es auch über Schnupfen oder Fieber machen würde.

Bestimmte Sprechtechniken seien hilfreich, das Stottern auf Dauer deutlich zu reduzieren. "Man kann als Stotterer unauffällig werden. Aber es ist nicht heilbar." An "Wunderheilungen", die manche Therapien suggerieren, glaubt Weikert nicht. Das Stottern zu minimieren, sei ein fortdauernder Lernprozess. Medikamentös sei das Stottern nicht zu beheben: "Die Pille gegen Stottern gibt es leider nicht."

Den Umgang mit dem Stottern zu erleichtern, hat sich auch die Bundesvereinigung zur Aufgabe gemacht. Selbsthilfegruppen sollen dazu beitragen, die Kommunikationsfähigkeit zu verbessern. "Nicht flüssig sprechen zu können, ist sehr schwer. Aber wenn die Gesellschaft besser informiert wäre, wäre das ganze ein geringeres Problem", sagt Heap. Im Gespräch mit Stotternden sei es hilfreich zuzuhören, den Blickkontakt zu halten und den Inhalt des Gesagten in den Vordergrund zu stellen.

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Sibylle Machefer/DPA

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