Bei Minderjährigen gibt es zunehmend ungewollte Schwangerschaften - die Zahl der Abtreibungen ist in dieser Altersklasse in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Mit Ausnahme vom Jahr 2005, wo Zahlen des Statistischen Bundesamtes erstmals einen Rückgang um knapp acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr belegen. Dennoch: 7.247 Abtreibungen im vergangenen Jahr bei den unter 18-Jährigen machen knapp sechs Prozent aller Abbrüche aus.
Vor zehn Jahren waren es etwa drei bis vier Prozent. 2004 brachten 7.000 Mädchen, die jünger als 18 waren, Kinder zur Welt. Im internationalen Vergleich sind das zwar keine dramatischen Zahlen. In Großbritannien und vor allen in den USA sind ungewollte Teenager-Schwangerschaften ein weitaus größeres Problem. Aber einige spektakuläre Fälle zeigen, dass auch hier zu Lande Handlungsbedarf besteht: So wurde im vergangenen März eine Hamburgerin mit gerade mal zwölf Jahren Mutter eines gesunden Jungen. Die Schwangerschaft hatte das Mädchen offenbar bis zuletzt verheimlichen können.
Durchschnittsalter des ersten Geschlechtsverkehrs: 15 Jahre
Immer wieder machen Fälle Schlagzeilen, in denen Minderjährige Babys heimlich zur Welt bringen und dann sterben lassen. Für Stefan Wirth, Chefarzt der Kinderklinik Wuppertal, sind Teenager-Schwangerschaften in Deutschland vor allem ein Randgruppen-Phänomen. "Die Problematik wird in niedrigeren Bildungsschichten schärfer", sagt der Professor. Denn die sexuelle Aktivität starte hier früher. Das Durchschnittsalter des ersten Geschlechtsverkehrs liege bei etwa 15 Jahren.
Dabei hatte nie eine Generation einen einfacheren und umfassenderen Zugang zu Informationen und Medien, nie eine Generation aufgeklärtere Eltern als heute. Und dennoch staunen Mediziner wie Wirth im Klinikalltag immer wieder, wie naiv und wenig differenziert Jugendliche mit ihrer Sexualität umgehen: "Da wird der Geschlechtsverkehr gar nicht bewusst als Vorgang wahrgenommen", sagt er. "Für die ist das manchmal wie Eis essen."
Gruppendruck und Mutterrolle
Tut also Aufklärung Not? Ja und Nein, sagen die Experten. Gisela Gille, Vorsitzende der Ärztlichen Gesellschaft zur Gesundheitsförderung der Frau, weist zwar darauf hin, dass die Aufklärung aus dem Biologiebuch "an der Bettkante" meist nicht ausreicht. Vielfach liege das Problem aber woanders: "Die Mädchen wissen ja oft mehr als ich über sexuelle Begriffe", sagt Gille. "Aber sie kennen sich mit ihrem Körper nicht aus." Außerdem laste auf den Teenagern ein "riesiger Gruppendruck", weswegen sie die Reife von Gleichaltrigen oft "grandios" überschätzten. Und dann gebe es vor allem in bildungsfernen Schichten Mädchen, die in einer Mutterschaft die einzige Möglichkeit sähen, "für sich eine Position zu erwerben, von der keiner sagen kann, dass man nutzlos ist".
Wirth sieht hier auch ein geschlechtsspezifisches Problem: Jungen seien fordernder und bräuchten Sex für die eigene Anerkennung. "Das ist wie mit dem Rauchen". Zudem gebe es bei den Jugendlichen zu viel unreflektiertes Handeln im Sinne von "was ich will krieg' ich gleich". Aufklärung sei zwar nötig, und zwar vor allem in den Schulen, da die Eltern das oft nicht leisten könnten. Dabei seien auch Kinder aus vermeintlich bestens informierten Akademikerfamilien nicht vor Wissenslücken gefeit: "Wir meinen zwar, die sind komplett aufgeklärt, aber ob die wirklich alles genau wissen, verraten sie auch nicht", betont er.