Es ist nicht das erste Mal, dass sich Politiker aus nahezu allen Nationen der Welt darüber den Kopf zerbrechen, wie man die Artenvielfalt nutzen und trotzdem nachhaltig schützen kann. Dennoch hat sich in den vergangenen Jahren nicht viel bewegt. Selbst Bundesumweltminister Sigmar Gabriel kommt ins Grübeln: "Wir müssen uns fragen, ob wir weiterhin nur Berge von Papier mit wenig Inhalt produzieren wollen."
Trotz zahlreicher Vereinbarungen zwischen Industrieländern und der Dritten und Zweiten Welt sehen die armen Länder nichts von dem Profit, den die Industriestaaten, insbesondere die Pharma- und Kosmetikindustrie, mit ihren Ressourcen machen. "Biopiraterie ist für uns die Aneignung genetischer Ressourcen des Südens durch Konzerne des Nordens, vor allem mittels Patenten und anderer geistiger Eigentumsrechte", sagt Andreas Riekeberg von der Buko-Kampagne, einer unabhängigen Vereinigung.
"Es gibt immer noch keine Regularien, wenn eine Firma eine biologische Ressource eines Landes für sich nutzbar macht", erklärt Christoph Tehn von Greenpeace. Auf der Konferenz soll dies thematisiert werden. Zunächst aber müsse darüber abgestimmt werden, ob sich die Konvention die nächsten zwei Jahre mit diesem Thema intensiv beschäftigten soll, erklärt ein Sprecher des Bundesumweltministeriums. Der Beschluss muss einstimmig gefasst werden, sonst wird er auf keinen Fall umgesetzt.
Wertvolle Heilpflanzen
Es gibt zahlreiche Beispiele von Pflanzen, die dem Menschen als Wirkstofflieferant dienen. Lianen aus dem Amazonasgebiet enthalten Curare, ein Nervengift, das therapeutisch gegen Starrkrampf und zur Muskelentspannung bei Narkosen eingesetzt wird. Eine Substanz aus dem auf den Philippinen beheimateten Brechnussbaum hilft bei Epilepsie. Und die Rinde der Silberweide wurde erstmals um 400 v. Chr. von Hippokrates gegen Gelenkentzündungen eingesetzt. Eine chemische Weiterentwicklung der natürlichen Substanz bildet heute den Basis-Wirkstoff zahlreicher Schmerzmittel: Acetylsalicylsäure. Die Nutzung von Heilpflanzen sei oft hilfreicher als chemische Produkte mit großen Risiken und Nebenwirkungen, sagt auch Andreas Riekeberg. "Die Nutzung einer Pflanze sollte zu einem bestimmten Zweck nur mit vorheriger informierter Zustimmung der lokalen Bevölkerung zu genau dieser Nutzung geschehen", fordern die Aktivisten der Buko-Kampagne.
Die Länder, in denen diese Stoffe vorkommen sehen in der Regel nämlich nichts von den Millionengewinnen, den die Unternehmen mit ihren Ressourcen machen. Dabei sei das Ausmaß und der Schaden nicht exakt zu bemessen, meint Riekeberg. "Es geht vielmehr um die Absteckung von Claims für die Ausnutzung und Ausbeutung dieser Ressourcen in der Zukunft", fügt der Aktivist hinzu.
Prominenter Streitfall
Der wohl prominenteste Fall der letzten Wochen: Ein internationales Aktionsbündnis hat bei der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes in München Einspruch gegen das Herstellungspatent der Firma Dr. Willmar Schwabe für das Erkältungsmittel Umckaloabo erhoben. Es wird durch das Schwabe Tochterunternehmen Spitzner vertrieben. Das Unternehmen macht einen geschätzten Umsatz von 80 Millionen Euro mit dem Mittel. Damit gehört es zu den erfolgreichsten der nicht verschreibungspflichtigen Medikamente.
Das Unternehmen selbst dementiert: Die Umckaloabo-Zubereitung befinde sich seit 1935 in Deutschland als Arzneimittel im Verkehr. Zunächst wurde es zur Behandlung von Tuberkulose, seit 1957 zur Behandlung von Erkältungskrankheiten und Bronchitis eingesetzt. Der Grundsatz des Unternehmens sei, dass keines der Patente traditionelles Wissen oder die traditionelle Nutzung ausbeute, unabhängig davon, ob diese schriftlich oder mündlich überliefert wurden, betont die Firma selber.
Verhärtete Fronten
Es sei nicht grundsätzlich schlecht, Pflanzen aus den Regionen des Urwaldes zu nutzen, sagt Achim Steiner, Generaldirektor des UN Umweltprogramms. Im Gegenteil, vielen Menschen könne geholfen werden, wenn ein Wirkstoff für ein Medikament in den Pflanzen enthalten sei. Die Industrienationen dürfen nur nicht einfach hergehen, und ein solches Mittel für sich beanspruchen.
Christoph Tehn von Greenpeace wird auf der Bonner Konferenz die Verhandlungen zur Biopiraterie begleiten. Einer Einigung sieht er jedoch skeptisch entgegen. "Die Fronten sind verhärtet. Jeder versucht seine Sichtweise durchzusetzen. Die Entwicklungsländer ebenso wie die Industrienationen. Dabei müssen sich beide nur einen Schritt aufeinander zu bewegen."