Genügsames Unkraut, dem ein zusätzliches genetisches Tuning verpasst wurde
Der Giftfresser ist ein Aschenbrödel unter den Blumen. Das Pflänzlein ist so mickrig, dass sich selbst Kaninchen zu ihm herunterbeugen müssen. Es hat schmächtige ovale Blättchen, eine schüttere Dolde weißer Mini-Blüten und winzige dürre Schoten. Es heißt Acker-Schmalwand - ein Name, der gut zu seiner verhungerten Erscheinung passt.
Das genügsame Unkraut, das an Wegrändern und auf Ödland sein Dasein fristet, ist im Kommen. Denn es gehört zu einer neuen Gruppe grüner Bodensanierer, die billig und umweltschonend chemische Altlasten aus der Erde holen. Das kümmerliche Kraut hat sogar eine Sonderstellung unter den Sauber-Pflanzen - es wird mit einem Gefahrstoff fertig, der die meisten Gewächse umbringt: Arsen, für Menschen ein Haut- und Krebsgift.
Amerikanische Forscher haben dem Schmalwand ein zusätzliches Tuning verpasst: zwei Bakteriengene wurden ihm eingepflanzt und so seine Fähigkeit verbessert, auf arsenverseuchtem Grund nicht nur zu überleben, sondern prächtig zu gedeihen und bis zu dreimal mehr Gift zu vertilgen als zuvor. Im Oktober veröffentlichten die Genetiker ihre Erfindung in der Fachzeitschrift »Nature Biotechnology«.
Grüne Helfer werden sogar mit Quecksilber und Selen fertig
Die Innovation soll helfen, eines der drängendsten Öko-Probleme der Erde zu lösen: Der Menschheit geht das Trinkwasser aus. Allein im indischen Bundesstaat West-Bengalen und in Bangladesh sind rund 112 Millionen Menschen in Gefahr, an Hautkrankheiten oder Krebs zu erkranken, weil sämtliches verfügbare Wasser verseucht ist.
Hier könnte das genfrisierte Pflänzchen Rettung bringen: Großflächig angebaut, abgeerntet und entsorgt, kann es das giftige Halbmetall nach und nach aus dem Boden beseitigen. Das Wasser würde wieder rein.
Neben dieser »Phytoremediation« halten die grünen Helfer auch andere Entgiftungsstrategien bereit. Sie können toxische Schwermetalle durch Wurzelausscheidungen in ungefährliche wasserlösliche Verbindungen umwandeln oder giftige Lösemittel, Sprengstoffe und Pestizide in ihren Stoffwechsel aufnehmen und durch Enzyme abbauen. Sie schaffen es gar, das giftige Schwermetall Quecksilber und das Halbmetall Selen aus dem Erdreich zu saugen und über die Spaltöffnungen in ihren Blättern »auszuatmen«.
Neben dem Acker-Schmalwand winkt bereits vier weiteren Pflanzen eine Starkarriere in der Öko-Sanierungs-Branche:
- Der Zurückgekrümmte Fuchsschwanz (Amaranthus retroflexus) fördert 40-mal mehr radioaktives Caesium aus dem Boden als gewöhnliche Pflanzen. Der Physiologe Leon Kochian vom »US Plant, Soil and Nutrition Laboratory« bewies, dass die Bodenbelastung nach nur dreimonatigem Anbau des Fuchsschwanzes um drei Prozent sank. Nun hofft der Forscher, verstrahlte Gebiete innerhalb von 15 Jahren komplett entseuchen zu können - drei jährliche Ernten vorausgesetzt. Würde man die amerikanischen Atomgelände mit technischen Mitteln vom Caesium befreien, würden Kosten in Höhe von 300 Milliarden Dollar entstehen.
- Die Wüsten-Quecke (Agropyron desertorum) holt das giftige Holzschutzmittel PCP aus Boden und Grundwasser. In einem 155-Tage-Test senkten Forscher die Belastung um 58 Prozent.
- Hybridpappeln sind in der Lage, das Lösemittel Trichlorethylen aus dem Grundwasser aufzunehmen und über ihr Blattwerk »abzuatmen«. In einem Versuch beseitigten die schlanken Bäume 90 Prozent der Giftfracht des Bodens.
- Das Gebirgs-Täschelkraut (Thlaspi caerulescens) schluckt nicht nur Nickel und Zink aus schwermetallverseuchten Böden. Es erlaubt eine ganz neue Art des »grünen« Recyclings: Der Agronom Rufus Chaney vom Agricultural Research Service in Maryland fand in Täschelkraut-Asche Zinkgehalte von 30 bis 40 Prozent. Derart konzentrierte Verbrennungsrückstände taugen zur Verhüttung im Schmelzofen: Erstmals könnten so aus Kräutern Gießkannen werden.
Gerd Schuster