US-Justiz Die Richter des George W. Bush

Ob George W. Bush seiner politischen Linie treu bleibt oder sich den Demokraten annähert, zeigt sich auch daran, welche Kandidaten er für den Obersten Gerichtshof nominiert. Ein Rechtsruck ist nicht ausgeschlossen.

Zu den demokratischen Wählern sagte Bush nach seinem Sieg: "Um dieses Land stärker und besser zu machen, werde ich Ihre Unterstützung brauchen, und ich werde daran arbeiten, sie mir zu verdienen." US-Experten sind der Meinung, dass Bush in Zukunft eine liberalere Linie einschlagen und den Demokraten entgegenkommen wird. Ob dies der Fall ist, wird sich bei der Benennung der Richter für den Obersten Gerichtshof zeigen. Vier der neun Richterposten müssen neu besetzt werden. Der Einfluss der Richter auf politische Belange ist immens. Eine Verschiebung der politischen Kräfteverteilung, die bisher relativ ausgeglichen war, wäre möglich. Bei vielen Wertkonservativen im Land herrscht Zuversicht, dass Bush - beflügelt von der tragenden Unterstützung durch die religiöse Rechte - die zweite Amtszeit nutzt, seine Moralansichten noch stärker als bisher politisch umzusetzen.

Einfluss des Obersten Gerichtshofs

In kaum einem anderen Land spielen die höchsten Richter eine derart aktive und starke Rolle wie in den klagefreudigen USA. Dort muss sich das Gremium so häufig mit politischen Streitpunkten befassen, dass es praktisch eine Gesetzgebungsfunktion ausübt.

Oft haben es die Richter - derzeit sieben Männer und zwei Frauen - mit religiösen Themen und Fragen der Minderheitenrechte zu tun. So ging es in der jüngeren Vergangenheit etwa darum, ob Homosexuelle aus der großen Pfadfinderorganisation Boy Scouts ausgeschlossen und bestimmte Bevölkerungsgruppen bei den Universitätszulassungen bevorzugt werden dürfen. Auch über Bundeshilfen für religiöse Schulen wurde entschieden und über bestimmte Abtreibungsprozeduren.

In den vergangenen vier Jahren hatte Bush keine Gelegenheit zu personellen Neubesetzungen im ehrwürdigen Justiztempel in Washington: Es wurde ganz einfach kein Platz frei. Nun hat er mehr Zeit. Alter sowie Krankheit im höchsten Richtergremium machen es fast sicher, dass der Präsident in seiner zweiten Amtsperiode die Chance erhält, dem Gericht seinen Stempel aufzudrücken. Und das dann für viele Jahre: Die Richter erhalten ihr Amt nämlich auf Lebenszeit.

Verschiebung der Kräfteverteilung

Zurzeit sind die Mehrheitsverhältnisse denkbar knapp: Sehr häufig fallen die Entscheidungen im Supreme Court, wie des höchste Gericht in den USA genannt wird, in einem Stimmenverhältnis von fünf zu vier. Vier der Richter - darunter der an Krebs erkrankte 80-jährige Vorsitzende William Rehnquist - sind als konservativ einzustufen, vier als eher liberal. Eine gemäßigte Richterin in der Mitte ist oft das Zünglein an der Waage. Die bisherige Vier-zu-Vier Balance könnte sich schon verschieben, wenn nur einer der liberalen Richter - etwa der schon 84-jährige John Paul Stevens - ausscheidet und durch einen Konservativen ersetzt wird.

Zwar müssen alle Bundesrichter vom Senat bestätigt werden. Hier gelang es den Demokraten in den vergangenen vier Jahren mehrere Male, die Abstimmung über als erzkonservativ kritisierte Bush-Kandidaten durch so genannte Filibuster (Dauerreden) zu verhindern. Aber da die Republikaner bei der Kongresswahl am Dienstag ihre Mehrheit im Senat noch ausbauen konnten, ist der Druck auf die Demokraten weiter gestiegen und sogar eine Änderung der Filibuster-Regeln möglich.

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die "Moral-Konservativen" von Bush erwarten, dass er sich für ihre Wahlhilfe revanchiert. Sie hätten sich als Rückgrat der Republikaner erwiesen, sagt Troy Newman, Leiter der Anti-Abtreibungsorganisation Operation Rescue. Eine kritische Frage muss der Supreme Court schon im kommenden Jahr klären: Darf es in öffentlichen Gebäuden Schautafeln mit den Zehn Geboten geben?

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Gabriele Chwallek/DPA