Abenddämmerung. Stunde der Illusionen. Die Ötztaler Gletscher glänzen in der untergehenden Sonne wie in postkartenkitschige Farbe getaucht. Feuerroter Staub breitet sich wie ein Teppich über den Schnee und lässt die surrealistische Szene noch intensiver wirken. Der rote Marsstaub dient als Grundlage für die neueste Inszenierung des Salzburger Regisseurs Hubert Lepka. Nach fünf Jahren löst "Mars:2068" auf dem Rettenbach-Ferner in Sölden das Multimedia-Spektakel "Hannibal" ab.
"Ich verkleide den Gletscher und mache ihn zum Double von Mars", erklärt der Regisseur die raumgreifende Inszenierung. "Dabei bediene ich mich aller technischen Möglichkeiten, die zur Verfügung stehen." Ausgerechnet ein Gletscher als Roter Planet? "Völlig absurd ist die Location nicht. Eis ist dem Mars nicht fremd, schließlich wird auch er von Polkappen bedeckt", erklärt er seine Ortswahl.
Seit Hannibal Freilufttheater im ewigen Eis
Die Show im Snow beherrscht Theaterregisseur und Choreograph Hubert Lepka aus dem Effeff. Bekannt wurde der 48-jährige vor allem durch die Airshow "Halber Horizont", die 1997 in der Wiener Neustadt rund 140.000 Zuschauer zum Flughafen lockte und ab 2001 in Folge "Hannibal" in Sölden an der Talstation des Rettenbachferners in der großen Naturarena. Nun präsentiert er an gleicher Stelle, wo tagsüber Skifahrer im ewigen Schnee ihre Schwünge ziehen, "Mars:2068" - Idee, Konzept und Regie aus einer Hand, in einer einstündigen und einmaligen Show – zumindest in diesem Jahr. Umgesetzt wird das monumentale Projekt auf über 2700 Metern Höhe in einer Produktion von Sölden, dem Powerdrink-Hersteller Red Bull und lawine torrèn. Bedarf die hinreißende Mischung aus Film und Live-Performance, aus Phantasie und Poesie, aus waghalsigen Stunts und subtilen Spielszenen einer präzisen Dramaturgie, hat auf das Wetter niemand Einfluss. Schon einmal, bei "Hannibal", zog sich just vor Spielbeginn eine dichte Nebelwand vor den Gletscher, so dass nur die Bühne direkt vor der Zuschauertribüne zu sehen war. Damit muss der passionierte Bergsteiger leben.
Waren bei dem High-Tech-Revival der Alpenüberquerung des großen Feldherrn Hannibal auch Hubschrauber beteiligt, verzichtet Lepka jetzt bewusst auf ihren Einsatz. Zu dicht liegt die Bühne am Ort des Unglücks vom 5. September 2005, zu frisch ist die Erinnerung: "Ein Helikopter würde Bilder wach rufen, denen wir aus Respekt - auch vor den Überlebenden – keinen Raum bieten wollen", erklärt Lepka seine Strategie im Freilufttheater auf ewigem Eis.
Eine Roboterspinne stakst über den Gletscher
Auch ohne Hubschrauber verwendet der Spezialist für sperrige Locations und Leiter der exzentrischen Theatergruppe "lawine torrèn" in ausgefeilter Schneearchitektur noch genügend Mensch und Material, inklusive zweier Alpha-Jets, die aus Innsbruck starten. Pistenbullis verwandeln sich in Marsmobile, die auf Luftkissen der Schwerkraft trotzen, eine Roboterspinne stakst durch die skurrile Gletscher- alias Marslandschaft. Neueste Video- und Pyrotechnik beamt den Zuschauer in das Jahr 2068, wenn Lepka den Roten Planeten längst erobert und besiedelt wähnt. Darüber hinaus hat sich Mars zu einer gigantischen Big-Brother-Medien-Maschinerie entwickelt. Alles und jeder ist miteinander verkabelt und Teil eines Sendeprogramms, um das sich zwei Unterhaltungskonzerne einen brutalen Quotenkrieg liefern. Science Fiction at its best, oder, wie Lepka es ausdrückt: "Science Fiction in Echtzeit", obwohl die Handlung aus den Mars-Erzählungen Homers, Vergils und Kubricks schöpft.
Plastisch dargestellt wird das Echtzeit-Experiment auf der fingierten Marsoberfläche durch eine mobile Kommandozentrale, die über extra-terrestrischen Sendestationen gondelt, um 24 Stunden am Tag live in Bild und Ton zum Mutterplaneten Erde zu übertragen, was die außerirdische Kolonie zu bieten hat.
Echte Kosmonauten helfen bei der realen Umsetzung
Dazu viel Action: Schon bei den Proben hielten alle Zuschauer den Atem an, als die Darsteller Isidor Grüner, im richtigen Leben Skiercross-Champion, und Harry Egger, Weltrekordler im Speed-Skifahren, den Weltcuphang in Schussfahrt hinunter rasten und Harry Egger vor lauter Speed prompt auf dem Parkplatz landete.
Anreise und Karten
Termin: 21. April 2006, 19:30 Uhr
Karten: Erwachsene: 32 Euro, Kinder und Jugendliche: 20 Euro – Shuttletransfer von Sölden zum Gletscher gratis
Pauschale: 20. – 23.04.06, drei Nächte in einer Frühstückspension ab 232 Euro, mit Halbpension im Gasthof ab 289 Euro oder im 4-Sterne-Hotel ab 355, inkl. 2-Tages-Skipass, Eintritt zu "mars: 2068", Shuttle Sölden -Gletscher, täglicher Eintritt ins Erlebnisbad "Freizeit Arena", Abendkarte in die Tirol Therme Längenfeld "Aqua Dome", Besuch des "Icegloo Village – Schneedorf Sölden"
Bestellung: Tel. 0043/5254/510-0 und www.soelden.com
Bereits vor der Premiere sorgte der "dreidimensionale Live-Science-Fiction-Comedy-Strip" für eine kleine Sensation. Bei der Umsetzung schwieriger Details durfte Lepka auf das Know-how des Kosmonauten-Museums in Moskau zurückgreifen. Höchstpersönlich kamen die Kosmonauten Alexander Alexandrov und Alexander Poleshchuk nach Sölden, um den Rettenbach-Gletscher in Augenschein zu nehmen. Jeder der beiden hatte die Erde mehr als 500 Tage im Weltall umrundet und dabei mehrmals auch Tirol aus dieser einzigartigen Perspektive gesehen. Begeistert vom hautnahen Anblick der imposanten Bergkulisse sagten Alexandrov und Poleshchuk spontan ihre Mitarbeit zu. Neben der beratenden Tätigkeit werden die Kosmonauten im Stück eine Rolle spielen und so ihre Weltraumanzüge noch einmal zum Einsatz bringen. "Schon 1969 zog mich die Mondlandung in ihren Bann, und knapp hundert Jahre danach werden wir uns als Rückblende an die epochalen Umwälzungen dieser Zeit erinnern, als die Menschheit ins Weltall aufbrach", philosophiert der visionäre Theaterregisseur.
Und die Nasa funkt scharfe Mars-Bilder
Über 10.000 Zuschauer wird der vierte Planet vor der Sonne, der seinen Namen dem römischen Kriegsgott Mars verdankt, am 21. April in seinen Bann ziehen. "Magie", sagt Hubert Lepka, "ist eine berechenbare Größe. Jeder Magier arbeitet mit Tricks." Und wie alle Magier verrät auch Hubert Lepka seine Tricks nicht, mit denen er sein Publikum für die Stunde der Illusionen zwischen Dämmerung und Dunkelheit verzaubert. Erst vor wenigen Tagen hat die neue Nasa-Erkundungssonde "Mars Reconnaissance Orbiter" das erste, extrem scharfe Foto vom echten Nachbarplaneten zur Erde gefunkt. Mars in den Medien – ein besseres Timing könnte sich Lepka kaum wünschen.
Wenn sich die Zuschauer auf der höchst gelegenen Gletscherstraße der Welt wieder auf den Heimweg machen, wird so manch einer wohl in den Himmel spähen, auf der Suche nach dem Roten Planeten, der Gottlob statt der eben erlebten Zukunft einzig seine unbefleckte Vergangenheit auf die Erde projiziert.