Keine Frage: Die Kinder, vier und sechs Jahre alt, sind inzwischen groß genug, um ihnen auch einen längeren Flug zumuten zu können. In diesem Jahr sollte es deshalb auf die Kanarischen Inseln gehen - fünfeinhalb Flugstunden von Hamburg entfernt. Dafür gibt es auf den Inseln "links neben Afrika" aber fast so etwas wie eine ewig währende Wettergarantie. Wir freuen uns.Der Blick in den Reisekatalog der TUI - Anfang des Jahres geworfen - zeigt allerdings, dass von einer Krise im Tourismus-Bereich anscheinend gar keine Rede sein kann. Die Preise für die verschiedenen Vier-Sterne-Hotels auf den Kanaren fallen exorbitant hoch aus. Freunde weisen uns auf ein besonderes Angebot hin, dass die TUI erstmals in diesem Jahr im "Maspalomas Dunas" bietet: Die Drei-Sterne-Anlage wurde 2003 auf "All-inclusive" umgestellt, sodass drei Mahlzeiten am Tag und alle Getränke frei sind. Außerdem zahlen Kinder pauschal nur 99 Euro. Trotzdem kommen bei einer vierköpfigen Familie immer noch Kosten von etwa 3.000 Euro zusammen.
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Für uns ist das Ganze ein Experiment: All-inclusive haben wir noch nie gemacht. Meine Frau weist auf potenzielle Hobby-Alkoholiker hin, die sich dank der Freigetränke bis zur Besinnungslosigkeit betrinken könnten. Ich verweise darauf, dass die bestimmt erst dann richtig loslegen, wenn wir dank der Kinder bereits in den Betten liegen. Ende Juli geht es also los.Mitten in der Nacht um drei Uhr aufstehen, die Kinder wecken, dann ab ins Taxi. Alles klappt prima. Auch der Bus-Transfer vom Flughafen zum Hotel ist kein Thema. Wir staunen nur, dass das "Maspalomas Dunas" so weit (knapp einen Kilometer) vom Strand entfernt ist - zu Fuß ist das mit Kindern kaum zu meistern. Leider müssen wir vor Ort noch drei Stunden warten, bis unser Bungalow endlich frei wird und gereinigt ist. Wir stellen die Koffer an der Rezeption ab und gehen ein paar Treppenstiegen hinunter zum Pool, um uns die Poolbar anzuschauen. Mit Mühe und Not bekommen wir einen Platz an einem leeren Tisch. Das mit den Getränken klappt problemlos. Mir fällt nur auf, dass sie im Plastikbecher ausgeschenkt werden. Ein braungebranntes Urlauber-Pärchen spricht uns an: "Na, heute angekommen?"Wir nicken und freuen uns über so viel Kontaktbereitschaft. Das Pärchen nickt freundlich: "Wir haben es glücklicherweise hinter uns und dürfen heute endlich wieder abreisen." Das Pärchen winkt uns noch zu und verschwindet wieder in der Menge. Wir schauen uns fragend an: Schwang da nicht Mitleid in der Stimme mit?Endlich können wir unser Appartement beziehen. Es liegt abseits von den Pools und dem Hauptgebäude und damit auch weit weg von allem Trubel und Lärm: Darum hatten wir vorab per Fax gebeten. Das kleine Appartement steht mitten auf einer kleinen Graswiese inklusive Palmen. Perfekt: Da können die Kids abends nach dem Plantschen noch spielen, während wir relaxen. Wir rollen die Koffer in das Innere des Appartements und freuen uns über die großzügig geschnittenen Räume. Die Kinder bekommen ein eigenes Zimmer, wir haben trotz All-inclusive eine eigene Kochnische und einen Kühlschrank. Das Bad ist zwar äußerst spartanisch und die alte Dusche etwas schimmelfleckig, aber wen stört das schon?
Mittagessen. Ich freue mich wie ein Kind. Ich esse so gerne Fisch und Meeresfrüchte - aber eben immer nur vor Ort direkt am Meer. In vergangenen Urlauben - vor allem im Robinson Club - habe ich ein üppiges Büffet zu schätzen gelernt. Und jetzt habe ich das gleich dreimal. Vor dem Eingang zum Restaurant gibt es keine Schlange. Fast alle Tische sind leer. Wir fragen einen anderen Urlauber, wo denn alle Gäste sind. Der zuckt die Schultern: "Die sind am Strand. Der Bus fährt dreimal am Morgen zum Strand und dreimal nachmittags zurück. Wer am Strand ist, kann also das Mittagessen gar nicht einnehmen. Und wenn ich mal was bemerken darf: Die meisten wollen das Mittagessen auch gar nicht. Die sind froh, wenn sie woanders essen können."Wir schauen uns wieder an. In der Tat folgt auf das Knurren in der Magengegend schnell die Ernüchterung: Mein erträumtes Büffet entpuppt sich als Mogelpackung. Es gibt mittags nur ein einzelnes Essen mit ein paar frei wählbaren Zutaten. Ich bin nicht mäklig, aber ich wende mich entsetzt ab. Das kanarische Gulasch besteht fast nur aus Fettbrocken, die man ansonsten eigentlich wegschneidet. Dazu gibt es Kartoffeln oder Nudeln. Die Nudeln sind in der Metallschale oben steinhart, darunter völlig verkocht. Ich habe Hunger und schaufle mir trotzdem den Teller vor. Die Kinder wollen nur Pommes. Gulasch essen sie nicht, die Nudeln sind ihnen zu zermanscht und eine Alternative gibt es nicht. Die Pommes sind leider nicht kross, sondern schwimmen im Öl. Ich bin entsetzt. Wenigstens schmeckt die Cola aus dem Zapfhahn. Auf dem Rückweg vom Essen entdecken wir, dass es an der Poolbar für die Kinder auch Hotdogs und Burger gibt. Allerdings ohne irgendeine Zutat wie Salat oder Tomaten.
Der erste Eindruck vom Essen ist nicht so gut. Aber egal, wir haben uns den Urlaub ja verdient. Wir gehen zurück aufs Zimmer und machen uns für den Pool fertig. Der vordere und größere Pool ist zwar nicht sehr groß, aber trotzdem mit über hundert Kindern und Erwachsenen gefüllt. Das ist zu viel Trubel für unsere beiden Kinder. Der Große hat gerade erst Schwimmen gelernt, die Kleine braucht noch Schwimmärmel. Da müssen wir sie schon etwas im Blick behalten. Der hinten in der Anlage versteckte Pool ist zwar noch kleiner, dafür aber etwas leerer. Ich spreche einen Mann an, der auf einer der wenigen Liegen am Beckenrand liegt: "Warum ist denn das Wasser so trübe?"Der Mann lacht auf, aber es klingt nicht wirklich fröhlich. "Ich würde mein Kind nicht da in die Brühe lassen. Muss total verseucht sein. Die meisten Kinder haben schon Mittelohrentzündung und müssen Antibiotika nehmen.""Der Arztbesuch kostet 110 Euro", mischt sich ein Zuhörer von einer Nachbarliege ein. "Ich war mit meinen Kindern auch schon zweimal da."Tatsächlich zeigt ein Rundblick, dass viele Kinder Ohrstöpsel haben oder auf den Liegen bleiben müssen. Sie machen lange Gesichter. "Das ist doch nicht normal, mit dem Wasser hier. Die haben die ganze Anlage bis zum Rand vollgebucht. Das sind viel zu viele Menschen für die beiden winzigen Pools."Wo sind wir da nur hingeraten? Wir beschließen, unterwegs mal das TUI-Büro zu besuchen. Eine lange Schlange steht hier schon laut diskutierend an. Wir kommen mit jemandem ins Gespräch, der ein neues interessantes Detail vorzubringen hat: "Gerüchteweise wird das Essen gar nicht hier gekocht, sondern von außen geliefert."Als wir endlich an die Reihe kommen, ist die Frau von der TUI bereits sichtlich angeschlagen und reagiert sehr gereizt. Das Wasser im Pool sei völlig in Ordnung, sie könne uns sofort die entsprechenden Unterlagen zeigen. Passend dazu wedelt sie mit einem Papier. "Hier: Die Chlorwerte sind im erlaubten Rahmen." Und dass der Pool so trüb sei, das sei übrigens in jeder Anlage so. Was mir völlig neu ist. Ich verpasse die Chance, nach dem Bakterientiter zu fragen und erkundige mich lieber nach dem Essen. Ob das wirklich von außen zugeliefert wird? Die Dame möchte nicht antworten. Ich lege meinen Presseausweis auf den Tisch. Das darf sie mir ohne Rücksprache bei ihrem Chef nicht sagen, bekomme ich zu hören. Am nächsten Tag soll ich wiederkommen. Abends beim Essen schaue ich selbst nach. Es gibt wieder Kanarisches Gulasch, dazu aber dieses Mal auch noch überbackenen Fisch und Rosenkohl. Matschige Nudeln und fettige Pommes für die Kinder: Sie würgen sich rein, was geht, dann schieben sie den Teller weg: "Bin satt". Ich schaue derweil in die "Küche" hinein und sehe kleine Wagen, die mit zahlreichen Metallschalen bestückt sind. Alle Schalen sind mit Plastikfolie abgedeckt. Die muss nur abgezogen werden, dann können die Schalen auch schon auf das Buffet gestellt werden. Keine Frage: Das Essen wird von außen geliefert. Deswegen sind auch die Pommes so durchfettet. Deswegen sind die Nudeln oben hart und unten matschig. Eine echte Zumutung, vor allem bei dem Preis. Ein neuer Bekannter findet das nicht so schlimm: "Seid froh, dass ihr Abends so früh ins Bett geht. Am Pool sind dann oft ein paar hundert Urlauber, die gerne noch ein Bierchen trinken möchten. Dann steht aber nur ein Barkeeper an der Bar und zapft die Getränke. Oft muss man dann eine satte halbe Stunde anstehen, um etwas zu Trinken zu bekommen. Letztens haben sie die Devise ausgegeben, dass jeder Urlauber nur zwei Becher auf einmal bekommt. Da wurde der Barkeeper dann fast gelyncht."Ich frage ihn, warum denn im ganzen Hotel so oft Plastikbecher verwendet werden. Die Antwort überrascht einmal mehr: "Die kommen mit dem Abwaschen nicht mehr hinterher. Nimm doch mal ein frisches Glas und wische es an einem weißen Tuch ab. Da kannst du noch die Farbe des Lippenstiftes von der Frau erkennen, die zuletzt daraus getrunken hat. Oft sind abends auch die Gabeln und die Messer alle."Der Zerfall ist an allen Ecken und Enden spürbar. Die beiden Internet-Computer in der Lobby sind beide kaputt. Der Air-Hockey-Tisch vor dem Supermarkt - kaputt. Die vier Billard-Tische am Pool: Drei defekt oder von den Kugeln her nicht mehr komplett. Um den vierten prügeln sich die Kinder, die nicht ins Wasser gehen dürfen, weil die Eltern ihnen die Mittelohrentzündung ersparen möchten. 40 Grad im Schatten, die Sonne brennt. Wir sind noch ganz weiß und müssen mit der Sonne aufpassen. Am Pool gibt es aber nur wenige schützende Sonnenschirme. Die dazu passenden Liegen sind morgens immer sofort mit Handtüchern belegt - es gibt keine Chance, nach neun Uhr noch eine Liege zu ergattern. Meine Frau ist verzweifelt und bittet mich um das Unsagbare: "Du musst morgens aufstehen und zwei Liegen reservieren. Wenigstens für die Kinder."
Soll ich wirklich? Das Problem wird zum Glück auf den nächsten Tag verschoben, weil es in der ganzen Anlage keine Handtücher für die Liegen gibt. Sonst wurden die uns in allen anderen Urlauben immer gestellt. Wir hatten zwar bereits im Reisebüro gefragt, ob es vor Ort wohl Pool-Handtücher geben wird. Die Reisekauffrau tat aber entrüstet: "Ich bitte Sie, das ist doch All-inclusive, natürlich gibt es da Handtücher."Am Nachmittag kaufen wir kreischend bunte Handtücher am Strand - zu horrenden Preisen und so dünn, dass man fast durchsehen konnte. Nach einer Nacht auf durchgelegenen und zu kurzen Betten, die meinen alten Hexenschuss wieder kitzelten, sitze ich kurz vor neun Uhr morgens am noch leeren Pool. Zusammen mit lauter anderen Männern, die mit ihren Handtüchern auf dem Arm auf den Liegen warten. Warum legten die Urlauber denn ihre Handtücher nicht ab? Gab es da ein geheimes Ritual, das ich noch nicht kannte? Tatsächlich. Punkt neun Uhr kommen drei Putzfrauen, schöpfen mit Eimern das trübe Poolwasser ab und kippen es dann Eimer für Eimer auf die Liegen. Wollte man die Bakterien so etwa noch auf die Liegen verteilen? Egal, den Sinn hinter der Aktion verstehen wir alle nicht. Wir legen schließlich alle die Handtücher ab, reservieren so die Liegen und eilen zum Frühstück.Das Frühstück ist das Tüpfelchen auf dem I des Schreckens. Die Croissants sind so hart und trocken, dass man mit ihnen hätte Nägel einschlagen können. Das Rührei ist eine einzige homogene Masse, die man mit dem Messer in Würfel schneiden kann. Der Speck ist so fettig, dass allein der Anblick die Arterien verkalken lässt. Und in den Pfannen für die Spiegeleier steht das Fett gleich drei Zentimeter hoch, sodass die aufgeschlagenen Eier komplett im Fett untertauchen. Immerhin steht hier endlich einmal ein leibhaftiger Koch hinter dem Herd. Die Zapfanlage für Orangen- und Apfelsaft ist ebenfalls defekt: Genug ist genug.Wir stürmen zum TUI-Büro und verlangen einen Verantwortlichen zu sprechen. Beziehungsweise würden wir das gerne tun. Leider stehen wieder bis zu zwanzig erboste Urlauber vor dem Büro, um genau die gleichen Beschwerden vorzubringen. Als wir endlich an der Reihe sind, gibt es nach heftigen Streitereien nur eine Alternative: Weg vom "Dunas"! Die TUI brachte uns zum Glück in einem nahe gelegenen Vier-Sterne-Hotel unter - für einen saftigen Aufpreis, der unsere Urlaubskasse bei weitem sprengte, uns dafür aber wenigstens noch anderthalb Wochen Urlaub mit klarem Poolwasser, leeren Liegen und superben Essen bescherte.Was uns im neuen Domizil allerdings fehlte, war die nette Geselligkeit am Abend, wenn einander völlig fremde Menschen auf der Terrasse eines Bungalows zusammenkamen, um ein Bier zu trinken und dabei über die All-inclusive-Hölle zu lästern. Jürgen aus der Jever-Brauerei erzählte von den Bechern, die er nachts immer auf die Dusch- und Waschbeckenabflüsse stülpen musste, damit die Kakerlaken in den Nachtstunden nicht das Haus erobern. Der rockige Holger mit den Tätowierungen berichtete, dass die stets überfüllten Busse schon mal die Kinder einladen, dann aber die entsetzten Eltern draußen stehen lassen. Dann wurden stundenlang Mängel gesammelt und auf Zetteln für die TUI notiert. Die Vertreterin der TUI konnte sich immerhin zu einem ermatteten Statement durchringen: "In der nächsten Saison ist Schluss mit All-inclusive hier." Zum Glück. Vor All-inclusive soll die Anlage ihre drei Sterne laut Aussage vieler Reisender auch verdient haben. Carsten Scheibe (scheibe@typemania.de)User Tipp: Informieren Sie sich vor dem Buchen einer Reise, was andere Urlauber von Ihrem ausgewählten Hotel halten. Die zum Teil erschütternden Berichte der Reisenden finden Sie u.a. hier: HolidayCheck (www.holidaycheck.de).