Nois Hände tanzen. Rhythmisch drücken sich ihre Handballen zwischen Muskelstränge, lösen, lockern, beruhigen. Die Waden. Den Rücken. Sogar den kleinen Zeh. Die Thailänderin scheint um die Massageliege zu schweben - nur am Rascheln ihres weißen Hemds ist zu ahnen, dass sie mal rechts, mal links steht, mal auf der Liege kniet. Leise Flötenmusik erfüllt den abgedunkelten Raum, die Luft duftet herb-frisch nach Patschuli und Zitronengras, und als Masseurin Noi schließlich ihre Hände unter dem Kinn zusammenlegt, sich verbeugt und ein Handtuch reicht, fühlt es sich an, als kehre der Geist nach längerer Abwesenheit mit erfrischter Kraft in den Körper zurück, flute bis in die kleinsten Äderchen und fülle jede Zelle. "Ich bin wie neu", jubelt ein Gast, als er die Treppe von den Massageräumen in die Empfangslounge des "Wai Thai" herabsteigt. Lea Sevšek Buterin lächelt. Kennt sie, solche Reaktionen. Die Leiterin des "Zentrums für traditionelle thailändische Massage und natürliche Körperpflege" hat sich vor einigen Jahren selbst in Thailand zur Masseurin ausbilden lassen. Führte ein eigenes Studio in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana, bevor ein Asien-begeisterter Hotelmanager sie 1999 in den slowenischen Mittelmeerort Portorož holte, wo sie einen "Tempel des Wohlbefindens" aufbauen sollte.
"Unser Ziel war, ein Ambiente der vollkommenen Entspannung zu schaffen", erzählt Lea bei einer Tasse Zitronengrastee. Und das ist der heute 29-Jährigen gemeinsam mit dem slowenischen Künstler Ivan Kisovec gelungen. Wer heute von der quirligen Strandpromenade des Touristenortes Portorož durch die dunkle Holztür an der Wand einer Hotellobby ins "Wai Thai" kommt, der tritt in eine andere Welt: an den Wänden rot-goldene Gemälde, in den Nischen Buddha- und Götter-Figuren, dazu geschnitzte Holzsessel mit Brokatkissen. Kerzen tauchen die Räume in warmes Licht, das sich in einem jadegrünen Wasserbassin spiegelt und über die dunklen Wände und Decken huscht. Mit neun Räumen fing vor sechs Jahren alles an, sagt Lea Sevšek Buterin, inzwischen gibt es 18 Zimmer für verschiedene Knet- und Streichelarbeiten und sechs weitere für kosmetische Behandlungen. Doch im Zentrum stehen nach wie vor die traditionellen thailändischen Massagen. "Yoga für Faule" nennt die blonde Frau die Technik, für die 20 Masseure aus Thailand angestellt sind. Sie dehnen und strecken den ganzen Körper, stimulieren Akupressurpunkte und Reflexzonen. "Eine sehr komplizierte Technik", sagt Lea.
Ist es nicht erstaunlich, das größte Thai-Massage-Zentrum Europas ausgerechnet in Slowenien zu finden? Nicht wirklich. Denn Wellness boomt in dem ehemals jugoslawischen Land zwischen Mittelmeer und Ungarn. 15 Thermalbäder gibt es in Slowenien, das etwa so groß ist wie Hessen und nur zwei Millionen Einwohner hat. Bereits die Römer kurten hier. Inzwischen haben sich die meisten Heilbäder auf moderne Wohlfühlangebote umgestellt, locken mit Ayurveda-Behandlungen und Badelandeschaften. "In Slowenien herrscht regelrecht Wellnesseuphorie, es tut sich viel", sagt Ivan Silià, Direktor des Tourismusverbandes Portorož. Auch Portorož, der "Rosenhafen", etwa 30 Kilometer südlich der italienischen Hafenstadt Triest gelegen, hat eine lange Erholungstradition. In den 70er Jahren fiel der Massentourismus ein, zahlreiche Hotelkästen sind geblieben, aber die meisten wurden inzwischen renoviert und haben viel von ihrem Schrecken verloren. Es gibt einen Sauna-Park, eröffnet erst vor einem Jahr. Und die Therme nebenan - etwas in die Jahre gekommen - bietet Thalasso-Therapie mit den Naturheilstoffen der Gegend: mit Meer- und Thermalwasser, mit Fango und "Aqua Madre", der Salzlauge aus den nahe gelegenen Salinen. Bis Ende des Jahres soll auch hier alles modernisiert sein, Relax- und Schönheitsprogramme rücken in den Mittelpunkt. Dass der EU-Neuling Slowenien erfolgreich auf der Wellness-Welle surft, liegt nicht allein an Schwitztempeln und Bädern. Das Land bietet sehenswerte Landschaften, in denen der Gast auch vor oder nach ein paar Gesundheitstagen zu Wohlgefühl kommt. An der Grenze zu Österreich bezaubert die Hochalpenkulisse. An der Küste locken azurblaues Meer und italienisches Flair mit Zypressen und Pinien, im Hinterland das slowenische Istrien, Karstlandschaft mit riesigen Grotten und Höhlen. Und Richtung Südosten, zwischen Ungarn und Kroatien, sanfte Hügel, auf denen hervorragender Wein wächst, und Wälder, in denen Wölfe, Bären und Luchse umherstreifen.
Dort liegt in einem Tal unter bewaldeten Anhöhen Dolenjske Toplice. Der Weg in den 3200-Einwohner-Ort führt über kurvige Straßen durch winzige Dörfer entlang dem Fluss Krka. Aber die Strecke lohnt sich. Schon seit 1658 baden Gäste hier in heißen Quellen, unter dem Namen Strascha Töplitz stieg der Ort zu Zeiten der österreich-ungarischen Monarchie zum Heilbad auf. Heute liegt im Zentrum des Ortes, mitten im Kurpark und in unmittelbarer Nähe der Kurhotels "Vital" und "Kristal", das "Balnea Wellness-Center". Eine Hülle aus Nadelholzleisten um das gläserne Gebäude wirkt wie ein Tarnanzug, der Schwung des Daches imitiert den des Hügels. Modernste Architektur mitten im fast dörflichen Idyll. Neben dem Parkplatz der Hotels steht eine der typischen offenen Holzscheunen, an denen Maiskolben zum Trocknen hängen. Eine schwarze Katze huscht in der Abendsonne über die Straße, verschwindet hinter einem Hoftor. Und im Wellness-Center heizen sich durchtrainierte Hauptstädter aus dem 70 Kilometer entfernten Ljubljana im japanischen Schwitzbecken oder im Kräuterdampfbad den Tagesstress aus dem Leib. Janko hilft mit Steinen nach. Sehr heiß sind die einen, schwarz und glatt, andere sind aus schneeweißem Marmor und eisgekühlt. Der Masseur mit dem Löwen-Tatoo auf dem Oberarm lässt sie auf duftendem Öl über den Rücken gleiten: strahlende Wärme und stechende Kälte wechseln sich ab, eine Woge von Gänsehaut läuft über den Körper, die Haut glättet sich wieder. Und wieder. Dann bearbeitet Janko mit zwei Steinen wie mit Hammer und Meißel die Muskelansätze entlang der Wirbelsäule. Mit scharfem Geräusch prallen die Steine aufeinander, ein kurzer Schmerz zuckt durch die Schulter, dann folgt tiefe Entspannung.
Anschließend, von der Ruheterrasse aus, schweift der Blick über die Landschaft. Muße, um den nächsten Tag zu planen. Wandern im nahen "Hornwald", dem Koàevski Rog, wo sich im Zweiten Weltkrieg Partisanen versteckten und heute Bären leben? Lieber Reiten? Oder Kajak fahren auf dem türkisfarbenen Wasser der Krka? Vielleicht doch erst einmal in Sloweniens einzigem Wasserschloss auf einer Insel der Krka in Otoàec "Slow Food" genießen - slow wie das englische Wort für "langsam", aber auch wie "slowenisch": Carpaccio von Ente, Polentastreifen mit grünem Spargel oder Zander aus der Krka mit Steinpilzen aus dem benachbarten Wald. Wellness für den Magen, auch das geht hier gut. Auf dem Flughafen begrüßt ein Schild die ankommenden Reisenden. Darauf steht: "Slowenien belebt". Beim Abflug ist klar: Da ist was dran.