Nach zwei Tagen mit voller Kraft gen King George Island haben wir es geschafft und sind am Morgen in die Maxwell Bay vor der chilenischen Station "Eduardo Frey" und der russischen Station "Bellingshausen" eingelaufen. Genauso wichtig war, dass das Flugzeug aus Punta Arenas im Süden Chiles pünktlich eingetroffen ist und unseren medizinischen Notfall ausgeflogen hat. Alle an Bord sind erleichtert, dass die Evaluierung so gut geklappt hat. Auf unserer Fahrt durch die Scotia-See haben wir die ersten gewaltigen Tafeleisberge passiert. Einer von ihnen, genannt C21, hatte beeindruckende Maße: Länge 24 km, Breite 18 km, Höhe über Wasser 30 m, unter Wasser circa 180 m. Daraus lässt sich die unvorstellbare Menge von 79 Milliarden Kubikmeter Eis errechnen. Mit diesem einen Eisberg könnte der jährliche private Wasserverbrauch der gesamten Bundesrepublik für 20 Jahre gedeckt werden.
Feiernde Forscher
Zurück zu den wissenschaftlichen Stationen. Hier auf King George Island liegen sie so dicht beieinander wie sonst nirgendwo in der Antarktis. Neben den chilenischen und russischen Stationen befindet sich keinen Kilometer entfernt die chinesische Station "Große Mauer". Die Grenze zwischen der chilenischen und russischen Station markiert ein kleiner Fluss, der von den Russen liebevoll Wolga genannt wird. Die Wissenschaftler helfen sich hier gegenseitig so gut es geht und haben sich auch bei den Feiertagen solidarisiert. So erzählt uns der Kommandant der russischen Station mit einem Lächeln, im letzten Jahr seien 55 Feiertage "respektiert" worden, da die Russen auch die Feiertage Chiles und Chinas feiern. Und außerdem seien da noch die Stationen der Polen, Uruguayer und Brasilianer in der Nachbarbucht...
Es soll jedoch nicht der Eindruck entstehen, dass es sich bei den Stationen in der Antarktis um Ferienheime handelt: Das Arbeitspensum und die Vielfalt der Fragestellungen sind enorm. Bei vielen Station spielt die Wetterbeobachtung und Erforschung des Ozonloches eine große Rolle, aber auch biologische Themen kommen nicht zu kurz. Hier in "Bellingshausen" arbeitet seit Jahren ein Forscherteam aus Jena unter der Leitung von Dr. Hans-Ulrich Peter an der Ökologie und Artbildung der Skuas. Diese Raubmöwen ernähren sich im Hochsommer vor allem von Pinguinküken, was ihrem Ruf nicht gerade dienlich ist, dennoch sind sie als Forschungsobjekt hoch spannend. Viele Skuas tragen einen Ring mit einer Buchstaben- und Zahlenkombination, so dass sie individuell erkannt werden können. Daher wissen die Jenaer Ökologen inzwischen, dass Skuas bis zu 30 Jahre alt werden können. Um ihren Nahrungszügen und Aufenthaltsgebieten im Winter nachspüren zu können, kommen GPS-Sender zum Einsatz, die in festgelegten Zeitintervallen die genaue Position des Vogel übermitteln. So erhalten die Wissenschaftler ein detailliertes Bild über den Aktionsradius der Vögel.
Leser-Fragen an die Crew
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Müllfresser und Eisberge
An Bord der Bremen haben wir in den letzten zwei Tagen auch etwas genauer hingeschaut, und zwar bei einer Planktonprobe, die einer der Lektoren, Dr. Hans-Joachim Spitzenberger, gezogen hat. Unter dem Binokular und Mikroskop tummeln sich die verschiedensten Kleinstlebewesen, unter anderem viele Flohkrebse oder Amphipoden. Sie sind "Müllfresser", ernähren sich vom so genannten Detritus, also zerfallenem organischen Material wie z.B toten Tieren.
Wir beenden den Tag mit einem Stopp auf Penguin Island, einem schlafenden Vulkan, auf dem Zügelpinguine brüten und der weiblichen See-Elefanten als Ruheplatz dient. Seit den frühen Abendstunden steuern wir auf den Antarctic Sound zu, der auch als Eisberg-Allee bekannt ist. Die Weddellsee lässt große Eisberge in den Sound driften und mit etwas Glück gibt es hier wunderschöne Sonnenaufgänge zu bestaunen. Allerdings sieht es gerade nicht danach aus. Wir fahren durch eine neblige, aber windstille Suppe. Die zwei zusätzlichen Tage in der Antarktis werden wir im Weddellmeer verbringen, was uns einige interessante Anlandungen verspricht. Sie werden es erfahren.
Schiff ahoi
Ihr Michael Poliza