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Fatehpur Sikri Die Geisterstadt des Großmoguls

Akbar der Große baute feenhafte Paläste und pompöse Haremsanlagen in die Felswüste bei Agra, doch seine Luftschlösser hielten der Wüste nicht stand.
Von Swantje Strieder

Nur der alles versengende Wüstenwind hechelt durch die filigranen Sandstein-Paläste der Geisterstadt Fatehpur Sikri. Kein Lärm, kein Rummel und keine aufdringlichen "Come to my shop"-Händler wie in Agra, eine halbe Stunde von hier, wo das Taj Mahal Millionen Besucher und gefühlt genauso viele Schlepper und kleine Geschäftemacher anzieht. Feenhafte Stille, manchmal ein Lachen, selten ein Handyklingeln und Kameraklicken. Es kommt von den indischen Großfamilien, die Frauen in leuchtenden Saris, die mit uns durch die so seltsam skelettierten Palastanlagen schlendern, während ein paar Greifvögel mit der gefiederten Leichtigkeit des Seins über der verlassenen Kaiserstadt Akbars des Großen kreisen.

Superman mit Harem

Fatehpur Sikri, die "Stadt des Sieges", nannte der Großmogul das Ensemble, das damals im Jahr 1571 wie eine Stadt aus Tausendundeine Nacht in der kargen Ebene aufragte: karminrote Paläste mit spinnwebfein gemeißelten Fenstern aus Marmor, orientalisch verzierte Harems- und Herrschaftsgebäude mit persischen Kuppeln, blau glasierten Ziegeln und verblichenen goldenen Wandmalereien, dazu Gerichtshallen und ein luftiger fünfstöckiger Aussichtsturm, den wir heutigen Besucher leider nicht betreten dürfen. "Da oben ging's zu wie in einem Taubenschlag," sagt Mohamed, mein fantasiebegabter Führer durch Fatehpur Sikri, "da saßen dann die Haremsfrauen, um sich die kühle Abendluft zufächeln zu lassen und lauschten auf das ferne Trompeten von Akbars Kampfelefanten, das die Rückkehr des glorreichen Feldherrn ankündigte." Für Mohamed ist der islamische Herrscher noch heute ein Superman!

"Stellen Sie sich Kaiser Akbar als den schönsten Mann Indiens vor, Madam", schwärmt der kleine korpulente Mohamed und versucht ein paar tapsige Ausfallschritte, die er wohl Bollywood-Held Hrithik Roshan beim Schwertkampf abgeguckt hat, "sehen Sie, wie Hrithik als Großmogul mit schweißglänzendem Oberkörper eine elegante Parade gegen einen imaginären Gegner fährt, nur um Prinzessin Jodha, seine Gemahlin, deren Herz und Bett er, der Große, immer noch nicht erobert hat, zu bezirzen." Eine hübsche Szene sei das im Bollywood-Epos "Jodha Akbar", so Mohamed, die sich hier in Prinzessin Jodhas echtem Palast ganz sicher so abgespielt haben könnte.

Friedensstifter mit king size Bett

Nicht nur im Film, auch im echten Leben hat Akbar die schöne Jodha schließlich rumgekriegt. Beweis: Sie hat ihm den einzigen männlichen Nachkommen und Thronfolger geboren. Aber er war sicher nicht der verführerische Bollywoodheld, sondern ein zäher kleiner mongolischer Krieger mit schrägen Augen, der als dreizehnjähriger mitten im Stimmbruch das nordindische Riesenreich seines Vaters Humayun übernehmen musste. Das war 1556. Später wurde aus dem kieksenden Knaben ein genialer Feldherr, ein toleranter und hochgebildeter Herrscher, obwohl er zeitlebens Analphabet blieb - einer, der lieber im Sattel saß als in weichen Haremskissen. Dabei war für's Plaisir gut vorgesorgt. Sogar im religiösen Proporz.

Mohamed zeigt auf den Haremstrakt, wo die 300 Konkubinen des Großmoguls lebten, dazu noch das Haus der Maryam, der christlichen Gemahlin und der kleine Palast seiner muslimischen Frau Sultana aus der Türkei. Und eben das größte Schloß der Hindu-Prinzessin Jodha. Wir schreiten über den Pachisi-Innenhof, wo der Herrscher das Pachisi-Brettspiel, das indische "Mensch ärger dich nicht!" - Original nicht etwa mit mannshohen Holzkegeln sondern mit echten Sklavinnen in bunten Uniformen spielen ließ. Manchmal dauerte das Spiel mit den Damen über Tage und Wochen. Die meisten Palasträume sind heute leer, aber in Akbars Schlafgemach findet sich ein riesiges Lager auf steinernen Stelzen, wahrlich ein king size Bett.

"Ein Großmogul heiratet ja nicht nur zum Vergnügen, sondern aus Staatsraison", erklärt Mohamed und seufzt verständnisvoll. Deshalb ehelichte Akbar, der Muslim gleich 17 Hindu-Töchter aus besten, wenn auch latent terroristischen Maharadscha-Familien in Rajasthan, um übers Bett endlich Frieden an dieser Front zu stiften." Hier in Fatehpur Sikri wurde indische Geschichte gemacht," sagt Mohmaned stolz. Allerdings nur für 15 Jahre, denn Akbars Luftschlösser hielten der rauen Wirklichkeit nicht lange stand: Wegen absolutem Wassermangel zog der kaiserliche Hofstaat 1586 fort - und gründeten das grüne Lahore im heutigen Pakistan.

Heilige Vaterfreuden

Warum aber setzte der kluge Akbar die "Stadt des Sieges" buchstäblich in den Sand? "Akbar war ein frommer Muslim", erzählt Mohamed auf dem kurzen Weg zur Großen Moschee, die etwas abseits des Palastgeländes liegt, "er kam hierher in die Einsiedelei, um Shaik Salim Chisti, einen Sufi-Heiligen um die glückliche Geburt eines Thronfolgers zu bitten. Und siehe da, Erfolgsmeldung". Als Jehangir geboren war, baute der stolze Vater aus Dankbarkeit die Stadt samt Moschee und Stadtmauern in zehn Kilometern Länge in die felsige Einsiedelei. Während die Stadt in Dornröschenschlaf fiel und die Mauern bröselten, ist die Moschee heute noch ein blühendes Pilgerzentrum. Tausende kommen täglich in die Jama Masjid, die größte islamische Institution Indiens, um zu beten. Darunter viele junge Frauen, einige in schwarzen Muslim-Umhängen, andere im Salwar Kameez, den bunten Hosenkleidern oder roten Saris.

Muslime wie Hindus wandeln gemeinsam durch das hohe Siegestor und dann über den riesigen, vor Hitze glühenden Innenhof zum Mausoleum des Sufi-Heiligen. Da lassen sie Rosenblätter auf das mit Prophetensprüchen geschmückte Perlmutt-Grab regnen und binden zarte rote Fäden an die filigranen Marmorfenster. Zwei junge Inderinnen neben mir flüstern dazu andächtig ein Gebet. "Wie einst Kaiser Akbar bitten sie den Heiligen um die Geburt eines Sohnes, sehr wichtig für indische Frauen", erklärt Mohamed. Er selber habe ja nun mal zwei Töchter, zwei nette Mädchen, wie er sofort betont, aber er kenne viele, denen der Heilige zu kräftigen Knaben verholfen habe.

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