Unterhalb des Bikepark Leogang bleibt der Schlupfkrapfen schon mal im Munde stecken. Denkt man beim Salzburgerland an österreichische Gemütlichkeit und Gastlichkeit, sieht man hier Zelte, offenes Kochgeschirr und wilde Gestalten. Das Schienbein vorne mit Protektoren geschient und die Waden hinten mit Tattoos verziert. Atmosphäre und lautstarke Musik wie auf einem Independent-Festival, keine Spur vom Klischee des Rentner-Urlaubs. Zu den großen Events im Bikepark reisen die Stars der internationalen Szene an und springen die halsbrecherischen Pisten im mörderischen Tempo hinab. Dann ist Party am Fuß der Bergbahn. "Unser Park ist ein Kristallisationspunkt. Die Downhill-Ritter in ihren Kunststoffrüstungen verschlagen jeden dem Atem. Auch der Tourenbiker, der stolz darauf ist, ohne Lift die Berge heraufzukommen, muss da gucken," sagt der Chef der Bergbahnen Kornel Grundner stolz.
Alpiner Sommersport
Am Anfang haben viele im Tal und in ganz Österreich skeptisch auf die Radler-Begeisterung in Leogang geschaut. Heute schauen sie hinterher. Die Bike-Welle rollt und ist eine der Möglichkeiten das Image vom Winterurlaub - Ski, Bewegung aber auch Spaß und Stimmung - in den Sommer zu transportieren. Dieser Transfer gelingt inzwischen durch alle Klassen. Juniorchef Christoph Schmuck vom Berghotel Forsthofgut weiß, dass die Szene-Biker mit Kokel-Grill vorm VW-Bus nicht in seinem Vier-Sterne-Haus absteigen. "Bei uns kehren nicht die Downhill-Desperados nicht ein, bei uns fühlen sich Tourenbiker wohl." Und so wenige sind es nicht. "Im Sommer machen Biker bis zu fünfzig Prozent der Übernachtungen aus." Heute zahlt es sich aus, dass Leogang alle Hindernisse für den bergigen Bikespaß beiseite geräumt hat. Der Radweg neben der Landstraße ist eine Selbstverständlichkeit, vor allem wurden die komplizierten Haftungs-Probleme mit Forststrassen und Grundeigentümern schon vor 15 Jahren gelöst. Familie Sch. aus Heilbronn weiß diese klare Planungslage zu schätzen: "Das Wegenetz hier ist ausgezeichnet und ich weiß, hier darf ich auch Biken. Das ist ein ganz anderes Gefühl als in Gegenden, wo das nicht geklärt ist und man von Wanderern und Förstern beschimpft werden kann. Das brauche ich nicht im Urlaub."
Generation: Ich gönn mir etwas
So denkt die Klientel der Edel-Bike-Hotels. Im anarchischen Studentenalter liebt man Tipps in Webbeschreibungen wie "40 Euro Bußgelder bereithalten oder Augen zu und durch" und schert sich nicht um Zäune und Verbote. Damals hat man sich mit zwei Unterhosen über die Alpen gequält, im Alter wird man anspruchsvoller. Spätestens die Kinder bringen auch den härtesten Biker vom Biwak ins Hotel. "Unsere Gäste haben häufig schon Nachwuchs. Das sind junge Familien, die können ihre Kinder bei uns abgeben und auf Tour gehen." Der Trend zu mehr Komfort hat in dieser Phase auch den Radler erfasst. "Über die Jahre hat sich der Anteil der Radfahrer bei uns immer mehr gesteigert." Eine Gruppe, mit eigenen Wünschen. Die sportliche Begeisterung ist in den Familien meist unterschiedlich verteilt. Modell: ein Fanatiker und Anhang in liebevoller Sippenhaft. Man muss also auch etwas anders anbieten können, geführte Wanderungen und Golfplätze in der Nähe.
Service
Fortshofgut
Hütten 2 - A-5771 Leogang -Tel: +43 (0) 6583 8561
Bikeschule Leogang
Tel +43 (0) 664 380 80 37
Bikepark Leogang
Leoganger Bergbahnen GmbH - Hütten 39 - A-5771 Leogang -Tel: +43 (0)6583 8219
Intim-Sphäre
Selbst der Begriff des Familienurlaubs ändert sich. Im neuesten Gebäudeteil des Forstgut wurden Appartements eingerichtet. Nicht für sparsame Gäste, die selbst Kochen wollen, sondern für Familien, die sich vom mehrgängigen Abendessen verwöhnen lassen. Junge Paare schätzen es nicht, im Urlaub mit den Kindern in einem Raum zu schlafen. "Ein verständliches Bedürfnis", findet Christoph Schmuck. "Ein Zustellbett in der schönsten Zeit des Jahres, ist sicher nicht immer optimal." Solche Bedürfnisse seien aber lange Zeit in der Hotellerie übersehen worden. Um als Familienhotel Erfolg zu haben, ist der direkte Kontakt zum Gast entscheidend, aber man müsse die Wünsche seiner Gäste auch quasi im Voraus erahnen. "Mit dem Neubau haben wir einen Badesee für den Sommer angelegt. Im Winter wird die Skipiste direkt unter dem Verbindungsflur der Gebäudeteile hindurch laufen."
Weltweite Inspiration
Damit dem Aktiv-Urlaub nicht der Nachwuchs ausgeht, wurde diese Saison der erste Bikepark für Kids in Europa eingerichtet. "Auf die richtige Anlage mit ihren gefährlichen Passagen darf man erst ab zehn Jahren. Aber gerade die Kinder sind besonders neugierig", weiß Grundner. Solche Ideen brütet man nicht allein im Salzburger Land aus. "Wir sind über unseren Partner Koona Bikes in einer weltweiten Kooperation von Parks. Von der Erfahrungen in Amerika kann man hier viel lernen." Die Biker machen den Betrieb der Seilbahnen immer Sommer noch nicht wirklich zur Goldgrube, aber es fallen wenigstens keine Verluste für die Bergbahnen mehr an. Und die Zukunft sieht rosig aus. Biken ist in, aber der eiserne Wille und die Kondition um 1500 Höhenmeter als morgendlichen Einstieg abzuspulen, haben nicht alle. Das Potenzial für Wachstum liegt in der "Möglichst-Mühelos-Fraktion". "Es gibt eben nicht nur Cracks", stellt Kornel Grundner unsentimental fest. "Mit unseren Liftanlagen kann man sein Hobby auch mit Freunden oder einem Partner teilen, der sich nicht zum Gipfel hoch quälen mag."
Weitgehend ohne Anstrengung
Ganz so einfach ist es, dann auch mit Aufstiegeshilfe nicht. "Einzelne Steigetappen gibt auch hier oben noch", relativiert Guide Martin die Mühelosigkeit per Bahnticket. Auf dem ersten Single-Trail müssen dann auch einige Mitradler passen, doch die Schiebe-Etappen sind begrenzt. "Zweihundert, dreihundert Meter kann jeder sein Rad schieben, ohne dass es nervt." Dann wartet oberhalb von Leogang auch für den Hobbyradler ein endloses Bikerevier. Mit der "Fünf Gondel Tour" kann man einen unglaubliche Tagestour machen." Wie im Flug geht es dahin. Kein Wunder, die Waden mördernden Aufstiegsetappen übernehmen ja die Bergbahnen.