Neulich fühlte sich Guus Hiddink doch einmal in die Enge getrieben. Der Bürgermeister der Gemeinde Leogang hielt eine Lederhose in der Hand. Hiddink solle das gute Stück gleich anprobieren meinte der Österreicher. "Es gab kein Entrinnen", scherzte Hiddink, als er die Geschichte erzählte. "Aber ich bin gerettet worden, die Hose war zu klein".
In den Niederlanden macht sich Sorge breit
Irgendwie gibt es für den 61 Jahre alten Niederländer immer einen Ausweg. Das, so erzählt man, läge vor allem an seiner lockeren Art, mit der er Dinge angeht.
Das ist auch jetzt so, da Hiddink nach dem 2:0 im entscheidenden Gruppenspiel über Schweden mit der russischen Nationalmannschaft im Viertelfinale der Euro 2008 auf sein Heimatland trifft. Obwohl sie klarer Favorit sind, macht sich in den Niederlanden so etwas wie Sorge breit, der "Goldene Guus" ("De Teleraaf") könnte mit seiner "Roten Armee" (Telegraaf) auch die Sensation schaffen, nachdem er schon als Außenseiter gegen Schweden ein "neues Meisterstück" abgelegt hat.
Hiddink selbst wiegelt erst einmal ab. "Wir hatten einen großartigen Erfolg, aber das Team wird gerade aufgebaut. Sie lernen schnell, es ist fantastisch, wie schnell, aber wir bleiben der Außenseiter". Und: "Das große Ziel ist die WM 2010. Wir haben großes Glück gehabt, dass wir bei der EM dabei sind. Wir hatten einen anderen Plan."
Der Mann kennt den Globus
Ernst sieht man den Weltenbummler selten. Eindhoven, Fenerbahce Istanbul, Valencia (unter anderem saß er beim 0:7 gegen den Karlsruher SC auf der Bank), Real Madrid, Betis Sevilla, das Nationalteam der Niederlande, Südkoreas und Australiens - der Mann kennt den Globus.
Als er mit Südkorea das Halbfinale der WM 2002 erreicht hatte, setzte sich eine Welle von Pilgerfahrern aus Asien in Bewegung und fiel in seinem Heimatort im Osten der Niederlande ein wie ein Heuschreckenschwarm. Für das damals eingerichtete "Hiddink-Museum" musste ein Sicherheitsdienst aufgeboten werden.
Anfang Februar 2007 schaute der lockere Guus doch ernst drein. Es waren die Tage, als sein Gesicht in allen Zeitungen zu sehen war, was nicht am Testspiel Russlands gegen Niederlande am 7. Februar lag, das die Holländer mit 4:1 in der Amsterdam Arena gewannen. Hiddink war in eine Steuersache verwickelt und musste neben einer sechsmonatigen Gefängnisstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, 45.000 Euro Strafe zahlen. Er hatte behauptet, in Belgien zu leben, während er Russland betreute, seinen Lebensmittelpunkt aber in den Niederlanden hatte. Mittlerweile ist die Sache vergessen, und Hiddink hört nicht mehr auf jeden Rat seines Steuerberaters.
Er hat einflussreiche Freunde
Nun sei sein Anliegen nur Russland, beteuerte er, als er unter den Trainer-Kandidaten für Bayern München und den FC Chelsea auftauchte. "Ich bin zu alt für einen Job bei einem Verein. Ich genieße die Arbeit in Russland", kokettierte Hiddink.
Vielleicht helfen auch andere Dinge. Er soll rund zwei Millionen Euro pro Jahr bekommen und kann sich auf einflussreiche Freunde verlassen. Für manchen gehört er zu den "Kumpels" der Mächtigen im Land, Vladimir Putin und dem Milliardär Roman Abramovic. Der Klubeigner des Ballack-Klubs FC Chelsea war Drahtzieher seiner Verpflichtung. "Er hat mich angerufen und gefragt, ob ich mir zutraue, Russlands Fußball neuen Schwung zu geben. Wenn ich etwas brauche, kann ich ihn anrufen."
Allein die Möglichkeit öffnet trotz vieler bürokratischer Hürden manche Tür schneller. Putin und Abramovic "tun sehr viel für den Fußball". Hiddink holte reihenweise niederländische Fußballausbilder ins Land.
Russland habe viel aufzuholen, meint Hiddink: "Es gab nach dem Zusammenbruch der UdSSR viele Veränderungen. Wir bauen moderne Strukturen im russischen Fußball auf." So dürfen ab 2010 nur noch vier Ausländer pro Mannschaft aufgeboten werden. "Die meisten reden davon, den eigenen Nachwuchs zu fördern, wir tun es", sagt Hiddink.
Neuauflage des EM-Finales von 1988
Der jüngste Erfolg hilft Hiddink auch gegen Widerstände, die seine einflussreichen Helfer nicht beseitigen können. So gibt es viele Menschen, die den Trainer drängen, seinen Lebensmittelpunkt endlich nach Russland zu verlegen. Bisher wohnt er in einem Moskauer Luxushotel.
Nun dürfte es noch schwerer sein, Hiddink unter Druck zu setzen. Die Zahl seiner Anhänger steigt nach dem Überraschungscoup von Innsbruck. Wenn Hiddink in Moskau über die Straße geht, halten Polizeiautos mitunter an, die Beamten springen aus dem Auto und begrüßen den neuen Helden Russlands mit Handschlag. "Ich will etwas auslösen in Russland und einen Weg weisen", sagt Hiddink.
Der führt ihn nun wieder über die Niederlande, mit denen er 1998 bei der WM das Halbfinale erreichte und es 1996 ins EM-Viertelfinale schaffte. Nun kommt es in Basel zur Neuauflage des EM-Finales von 1988, bei dem die Niederlande ein starkes Russland mit 2:0 bezwangen und der heutige Oranje-Trainer Marco van Basten ein Tor schoss. Diesmal aber sind die Russen noch stärker, Guss Hiddink sitzt auf ihrer Bank.