Überlebenshilfen Mit Pappklo in die Wildnis

Der Deutschen liebstes Abenteuer-Buch ist der Katalog des Outdoor-Ausrüsters Globetrotter. stern-Redakteur Kester Schlenz hat sich die aktuelle Ausgabe genauer angeschaut und anschließend einige der skurrilsten Überlebenshilfen dem Praxistext unterzogen.

Toilettenartikel

Stellen Sie sich vor: Man sitzt in einem Kajak, einem Fesselballon oder auf einem Hochsitz und muss mal. Nun mag es vergnügungssüchtigen Gemütern Freude bereiten, sich etwa aus großer Höhe zu erleichtern. Den meisten dürfte Derartiges schwer fallen. Die Outdoor-Industrie weiß hier Rat: Das Angebot an Take-away-Urinalen und Kot-Gefäßen ist reichhaltig.

Wir haben da beispielsweise den "Urimed Uribag Men", der mit einem recht ordentlichen Rohrdurchmesser die "männliche Anatomie" berücksichtigt, wie der Anbieter etwas verschämt erklärt. Der Uribag verfüge über eine "verschließbare ABS-Dose mit Latex-Auffangbeutel" und ein Fassungsvermögen von "über einem Liter". ABS-Dose? Ich bin beeindruckt. Das kenne ich von Autos. Blockaden beim Pieseln sind also fortan kein Problem mehr. Ich simuliere draußen in unserem Garten hinter einer Hecke eine Kajakfahrt und teste den Uribag. Mein Urteil: Man kann damit umgehen.

Kommen wir zur nächsten Outdoor-Nothilfe: Schon der Name lässt Großes erahnen: "Four Seasons Outdoor-Toilette". Es handelt sich hier um ein Sitzklo aus Pappe (mit Deckel!), das immerhin Personen bis 100 Kilo Körpergewicht aushält und für den Einsatz in der Wildnis gedacht ist. Man soll sich also draußen auf diesen Pappkarton setzen, statt einfach ins Unterholz zu knattern. Ich teste das "Four Seasons" an einem Frühlingsabend am Rande unseres ländlichen Grundstücks. Auf dem Weg davor ist niemand. Ich hätte vielleicht auch noch auf den angrenzenden Acker schauen sollen. Dann hätte ich gesehen, dass Bauer Petersen gerade seine Zäune kontrolliert. Verdammt cool, diese Landwirte. Er hat nur freundlich genickt. Mein Fazit: Gehen Sie lieber ins Gebüsch. Man sieht auf einem Pappklo noch bescheuerter aus als in der "Schranzhocke". Und außerdem müssen Sie nach "Geschäftsschluss" auch noch einÉ na, sagen wir mal... "ausgebuchtes" Four Seasons mit sich herumschleppen.

Die Bärenglocke

Wer beispielsweise in Kanada wandern geht, kann dort in der Wildnis leicht auf Bären treffen. Um diese nicht für jeden erstrebenswerte Begegnung zu verhindern, gibt es "Coghlan's Bärenglocke". Die soll - etwa am Rucksack befestigt - die Bären durch lautes Gebimmel schon vor dem Zusammentreffen vertreiben. Ich habe eine solche Glocke schon vor Jahren bei einem Urlaub in British Columbia ausprobiert. Es funktionierte. Wir haben keine Bären gesehen! Allerdings auch keine anderen Tiere. Die hören das Geläute nämlich ebenfalls schon weit vor dem Eintreffen des Wanderers und beobachten den vorbeiziehenden touristischen Spielmannszug kopfschüttelnd aus dem sicheren Unterholz. Wer also garantiert auf keinerlei "wildlife" im Urlaub treffen will, möge zu "Coghlan's Bärenglocke" greifen. Er wird gänzlich allein im Walde bleiben.

Die Reise-Wasserpfeife

Wer heutzutage noch ohne Wasserpfeife urlaubt, scheint etwas zu versäumen. Schließlich, so heißt es im Werbetext für die "Four Seasons Reise-Wasserpfeife", seien "Geselligkeit und Entspannung weltweit gefragt; nicht nur zu Hause oder in arabischen Ländern". Ich habe ein paar Kumpels von früher, die sehen das mit der Entspannung genauso. Sie bestätigen mir, dass man sich - wie der Anbieter preist - der "Magie eines klassischen Wasserpfeifen-Zeremoniells nicht entziehen könne", und erklären sich bereit, die Pfeife mit mir auszuprobieren. Der obere Trichter des dosenartigen Gerätes wird mit angefeuchtetem Tabak bestückt. Darauf legt man ein glühendes Stück Kohle. Der so entstehende Rauch wird dann durch das darunterliegende Wasserreservoir "gezogen". Ich saugte kräftig. Es war ein Erlebnis. Ich kann mich tatsächlich an einen "milden und weichen Geschmack" erinnern - bevor ich das Bewusstsein verlor.

Stöpsel gegen Ohrenstechen

Was für ein schöner Satz: "Die Bäumchen verhindern Ohrenstechen." So preist der Globetrotter-Katalog seine Ohrstöpsel gegen das "lästige Drücken und Stechen in den Ohren bei Flugreisen". Ich probiere die "Bäumchen" auf einer Dienstreise nach München aus, stecke sie mir - wie vorgeschrieben - eine Stunde vor der Landung in die Ohren und sehe offenbar mit den herausragenden Kunststoffröhren komisch aus. Die Stewardess kichert, als sie mir einen Kaffee bringt. Ich kann sie darüber hinaus schlecht verstehen, weil durch den Einsatz der "Ear Planes" auch die Hörfähigkeit um rund 20 Prozent abnimmt. Es hat beim Landen nicht gestochen. Hat es aber auf dem Rückflug ohne auch nicht.

Das Schweizer Messer für Fortgeschrittene

Jeder hat wohl schon mal eines dieser wirklich praktischen Schweizer Offiziersmesser mit den vielen ausklappbaren Utensilien in der Hand gehabt. Aber wer kennt den Rolls-Royce unter den Schweizern? Die wirklich große Nummer? Wer kennt die Mutter aller Messer mit dem etwas sperrigen Namen "Champ und Großes Survival-Set"? Ich habe es für Sie getestet. Das Ding ist zunächst einmal verdammt schwer. Man trägt es in einer Tasche am Gürtel. Ich habe fast eine Stunde gebraucht (und mir drei Fingernägel abgebrochen), um alle Dinge auszuklappen, die das fette Set bietet. Messer, Schere, Schraubendreher, Zange, Flaschenöffner, Korkenzieher und Säge erschlossen sich mir in ihrer Funktionalität sofort. Aber braucht der Wanderer wirklich eine "Stech-Bohr-Ahle" und einen "Endhülsenpresser"? Sind Holzmeißel und Drahtschneider in der Wildnis tatsächlich unverzichtbar? Insgesamt bietet das Set 32 Funktionen. Das obige Foto dokumentiert dies. Der eisenharte Traveller kann sicherlich mit allen etwas anfangen. Ich war zum Teil etwas ratlos und hätte mich mitten in der Ausklapp-Orgie nicht mehr gewundert, wenn plötzlich auch noch eine Sitzbadewanne, eine Dachrinne und Oliver Pocher zum Vorschein gekommen wären. Ein ehrgeiziges Werkzeug, aber für einen Laien wie mich eine Terz überfrachtet.

Der Leuchtkuli

"Wenn man unter der Decke einen Liebesbrief schreiben will, hat man normalerweise keine Hand für die Taschenlampe frei." Mit diesen in meinen Augen äußerst anzüglichen Zeilen wirbt der Versender der "Leuchtkulis" für sein Produkt. Ich verstehe das nicht. Warum kann ich nicht mit der einen Hand einen Brief schreiben und mit der anderen die Taschenlampe halten? Was denken die total versexten Damen und Herren vom Globetrotter-Versand, was der Outdoor-Lover während des Schreibens mit der anderen Hand unter der Decke macht? Und wieso überhaupt Decke? Es geht doch bei Globetrotter um Urlaub in der rauen Wildnis. Schreibt der Traveller da nicht im nachtschwarzen Zelt Liebesbriefe im Schlafsack? Sei's drum. Die Four Seasons Leuchtkulis lösen in jedem Fall das Problem des Schreibens bei Dunkelheit, denn sie leuchten auf Knopfdruck am Stiftende. Aber mein Rat: Schlafen Sie lieber des Nachts in Ihrem Outdoor-Urlaub. Schreiben können Sie auch tagsüber - falls Sie eine Hand frei haben.

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