Vinschgau-Reschenpass Zwischen Gipfel und Apfelgarten

Die Moderne entsteht in der Dornröschenstadt, schneesicher fährt man am Pass und der Kite gleitet über den See mit dem versunkenen Dorf. Das Vinschgau bietet mehr als nur Äpfelchen.

Hinter den mächtigen Mauern von Glurns wurde einst die Mäuse vor Gericht gezerrt. Lange ist es her, als man hier die Nager beschuldigte, frech Ernte und Vorräte wegzufressen. Gottlob wurden die Kleintiere von einem engagierten Juristen vertreten. Die verdutzten Glurnser mussten sich anhören, die Mäuse wären vor den Menschen im Vinschgau gewesen. Nie habe sich jemand über die Tiere beschwert. Am Ende wurden die Nager zwar der Stadt verwiesen, immerhin wurde ihnen eine große Wiese als Wohnstatt zu geteilt.

Stadt im Dornröschenschlaf

Auch heutzutage kann man sich Glurns bestens als Schauplatz dieses Schildbürgerstreichs vorstellen. Um das Städtchen zieht sich eine gewaltige Festungsmauer wie ein riesiger Mantel um eine zwergenhafte Ansiedlung. In der Feste dampfen die Misthaufen in der Kälte und vielen Gebäude scheinen nach dem großen Mäusespektakel in einen fünfhundertjährigen Dornröschenschlaf gefallen zu sein. Nachts erwartet man, in den winkligen Gassen zwischen dickbauchigen Mauern auf die Laterne eines Nachtwächters zu stoßen. Umso überraschter ist der Gast, sobald er das Haus "Zum grünen Baum" betritt. Der traditionsreiche Gasthof wurde ebenso kühn wie behutsam renoviert. Individuell gestaltete Zimmer - das Highlight mit freistehender Badewanne -, helle Hölzer und eine Dachterrasse, von der sich ganz Glurns überblicken lässt. Im "Grünen Baum" trifft man auf das moderne Südtirol in seiner einzigartigen Verschmelzung des italienischen Designs und Lebensgefühls mit der Tradition der deutschsprachigen Alpenregionen. Wer es verschneit liebt, bezieht im oberen Vinschgau in den Dörfern Graun, St, Valentin, Langtaufers und Reschen Quartier. In einem der gemütlichen Gasthöfe dort genießt man Winterfreuden in Schneekulisse. Wer eine Fahrt von einer Viertelstunde nicht scheut, kann die "Stadt" Glurns im Tal als Basis fürs Skifahren am Pass nutzen. Genauso weit wie zu den Skigebieten ist es dann nämlich nach Meran, der alten Kurstadt. Dort kann man in den mittelalterlichen Laubengassen shoppen oder sich in der neu errichteten Therme ein gemeinsames Bad nach Art der Kaiserin Sisi bereiten lassen.

Kultur- und Naturtheater

Oberhalb von Glurns beginnt das Tal am Reschenpass. Wie eine riesengroße Opernbühne öffnet sich von dort oben das obere Vinschgau als sanft abfallende Terrasse. Die Straße mäandert sich sanft hinab und bietet einen Ausblick auf die die Kulissen dieses Hangspektakels. Das Stück, das die Landschaft hier spielt, ist so vielschichtig wie die Kultur. Weit oben beginnt es mit dem Alpinen Wintermärchen und wechselt mit dem Verlust der Höhenmeter zur Kultur und Kunst, von der Romanik über die Renaissance bis in die Moderne, die sich vor allem mit architektonischen Einsprengseln optische Highlights setzt.

Am Pass und Reschensee stammen die Bühnenbilder allerdings zum Teil noch aus der Ära Mussolini, zum anderen sind sie Zeugnis einer modernen Industriekultur. Auf den Feldern liegen aufgegebene Bunker und Festungen. An der Straße schüchtern faschistische Ehrenmäler und mächtige Betonbügel den Reisenden ein. Gespenstisch ragt ein einsamer Kirchturm aus dem See und überlässt der Phantasie, was sich unterhalb des Wasserspiegels befindet. Inzwischen avancierte den Kirchturm im See zum einprägsamen Logo, doch für die älteren Einwohner repräsentiert er eine Zeit voller Leid und Willkür. Die Dörfer Reschen, Graun und St. Valentin wurden 1950 über Nacht zwangsevakuiert und durch einen Staudamm geflutet. Damals hielt die Bevölkerung lange Zeit an ihren Häusern fest. Sie bezogen schnell wieder die oberen Stockwerke, wenn der Wasserpegel niedrig stand. Schließlich wurde das ganze Unterwasserdorf gesprengt, nur der Kirchturm blieb gut erhalten.

Service und Informationen

Südtirol Information

Pfarrplatz 11
I-39100 Bozen
Tel. +39 0471 999999
Fax. +39 0471 999900

Tourismusverein Vinschgauer Oberland

I-39027 Reschen
Tel.: ++39 0473 63 31 01
Fax: ++39 0473 63 31 40
Skigebiet Reschenpass

Hotel Gasthof Grüner Baum Glurns

Stadtplatz 7
I-39020 Glurns
Tel. +39 0473 831206
Fax +39 0473 835927

Wintersport "moderat"

In Winter kann man auf dem See Schlittschuhfahren, auf einer acht Kilometer langen Eisschnelllaufbahn seine Zeit stoppen lassen, Eishockey spielen, Eissegeln, Eisstockschießen oder einfach über den vereisten See wandern. Direkt gegenüber dem neu erbauten Dorf Reschen beginnt eines von fünf Skigebieten. 116 schneesichere Pistenkilometer und 90 Loipenkilometer führen unter anderem in das Dreiländereck Italien-Österreich–Schweiz. Der Skipass reicht auch nach Nauders auf das österreichische Gebiet. Die katastrophalen Schneeprobleme dieser Saison kennt man hier oben nur vom Hörensagen. Generell existiert in Südtirol ein Preisgefälle von West nach Ost. Am Reschenpass ist es daher wesentlich günstiger als in den Dolomiten, das Gebiet für normale Skifahrer und Familien mehr als ausreichend. Wer unbedingt einmal "Abfahrt endlos" haben möchte und auch eine etwas längere Autofahrt nicht scheut, kann sowohl zur Ortler-Arena auch bei Sammnaun in Skigebiet von Ischgl vorstoßen.

Wintersport "extrem"

Für Sport-Freaks ist der Reschensee Attraktion genug: Winters und sommers kann man dort Kiten und Eissegeln, im Sommer mit einem kleinen Surfbrett und im Winter mit dem Snowboard oder Skiern. Ein idealer Ort, so weit oben tummeln sich im Sommer keine Badenden im See und in der Nähe des Alpenhauptkammes herrscht immer ein verlässlicher Wind. Der Kite, das ist ein farbiger Lenkdrachen, der am Körper befestigt wird. Einmal im richtigen Wind entwickelt er eine ungeheuere Kraft . Geschulte Lehrer bietet Anfängerkurse und leiten das anspruchsvolle Vergnügen an. Ein Woche Zeit sollte man sich nehmen, um mit dem riesigen Drachen vertraut zu werden, sagt Guide Oliver Platzgummer. Wer noch nie einen Lenkdrachen bewegt hat, wird von dem metergroßen Ungetüm gehörig eingeschüchtert. Eben noch flattert er am Himmel - ohne jeden Zug kurz vor dem Strömungsabriss, aber kaum gelangt der Drachen in die so genannte "Power Zone", zieht es den Skifahrer davon, als würde ihn ein Motorrad wegreißen. Im Ernstfall hilft der Griff zur Sicherheitsleine, um sich blitzschnell abzukoppeln. Der Weg zu Loops und Sprüngen, wie Oliver sie vorführt, ist weit. Im Winter sei das Kiten weit leichter zu erlernen, als im Sommer, sagt er. Dann müsse sich man sich nach jedem Malheur wieder aus dem Wasser arbeiten. Auch ein Trost.

Marina/Gernot Kramper

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