Eigentlich hatten sie sich schon geeinigt. Und nun soll alles wieder von vorne losgehen: Amerikanische Anwälte wollen von Deutschland die Herausgabe des Welfenschatzes erreichen. Vor Gericht.
Mal ganz ehrlich: Um die Kunstwerke geht es den US-Anwälten vermutlich nicht. Ob sie die Goldschmiedearbeiten aus dem 11. bis 15. Jahrhundert überhaupt schon mal gesehen haben? Das edelsteinbesetzte Kruzifix aus dem Braunschweiger Dom? Das prächtige goldene Kuppelreliquiar? Dafür müssten sie nach Berlin reisen und ins Kunstgewerbemuseum kommen, wo der Schatz gerade erst neu arrangiert und großartig präsentiert wurde: im Halbdunkel, glitzernd, schön, aus einer fremden Welt.
Soll das alles nun auseinander gerissen werden? Wo der Schatz doch gerade auf die Liste besonders schützenswerter Kulturgüter gesetzt wurde - weil man sich in Deutschland sicher war, dass der Jahre lang schwelende Streit endlich geschlichtet ist.
Aufatmen in Berlin
Seit dem 17. Jahrhundert waren die Kostbarkeiten im Besitz des Welfenhauses gewesen, des ältesten Adelsgeschlechtes Europas. 1929 hatten jüdische Kunsthändler ihn den Welfen abgekauft und 1935 an den preußischen Staat weiterverkauft. Nach dem Krieg kam der Schatz deshalb in die Obhut der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
2008 behaupteten die Erben dieser Kunsthändler, der damalige Verkauf sei unter dem Druck der Nationalsozialisten zustande gekommen. Man versuchte sich zu einigen, niemand wollte Streit. Deshalb wurde eine auch von den Erben anerkannte Kommission unter der Leitung der früheren Verfassungsrichterin Jutta Limbach einberufen. Die untersuchte die Ansprüche und kam zu dem Ergebnis: Alles in Ordnung und rechtens. Es hatte sich 1935 nicht um einen "verfolgungsbedingten Zwangsverkauf" gehandelt. Großes Aufatmen in Berlin. Der Schatz durfte im Museum bleiben und würde damit auch in Zukunft für jedermann zu bewundern sein.
Jahrelange Forschung
Die Klage aus den USA - von einem Enkel und einem Großneffen der damaligen Verkäufer - kam nun wie ein Paukenschlag. Völlig überraschend und nicht nachvollziehbar. Kein Wunder, dass Hermann Parzinger, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz nun "verwundert" und "befremdet" ist. Zuerst wird jahrelang geforscht. Und dann akzeptiert man das Ergebnis genau dieser aufwändigen Forschungen nicht. Parzinger: "Ich gehe davon aus, dass die Ergebnisse unserer jahrelangen wissenschaftlichen Provenienzrecherchen auch ein Gericht in den Vereinigten Staaten überzeugen werden."
Alles klar also? Nicht wirklich. Denn für Berlin kommen nun weitere Jahre der Unsicherheit, in denen das Museum nicht weiß, ob es Besitzer des Schatzes ist oder nicht.
Und die US-Anwälte? Sie gehen vor Gericht, obwohl die Chancen auf einen Erfolg sehr gering scheinen. Warum tun die das? Nun, für Anwälte ist so eine Klage eine lukrative Sache. Schließlich werden sie für einen Streitwert von 260 Millionen ganz nett bezahlt. Man kann’s doch einfach mal versuchen. Böser Vorwurf? Bestimmt geht es allen nur um Gerechtigkeit. Oder?