Wer mag schon gerne Blut sehen? Vor allem das eigene ist oft doch nur sehr schwer zu ertragen. Aber bei diesem Doktor kommt es sehr selten vor, dass die Untersuchung ohne den roten Lebenssaft vonstatten geht. So auch diesmal. Vitali Klitschko, "Dr. Eisenfaust", bleibt nach einem harten und zumindest zu Beginn spannenden Duell gegen seinen Herausforderer Juan Carlos Gomez Weltmeister im Schwergewicht.
In der Ringpause zwischen der achten und neunten Runde hat Ahmet Öner die Nase gestrichen voll. Der Mann, Manager des Klitschko-Herausforderers Gomez, hatte in den Wochen vor dem Fight so viel Wind gemacht – sein kubanischer Hoffnungsträger darf jetzt einfach nicht verlieren. Nur: Gomez hat in den beiden Runden zuvor so viele eisenharte Hiebe von Klitschko einstecken müssen, dass er in diesem Moment wohl nicht mehr weiß, wie es an diesem Abend im Ringgeviert für ihn noch weitergehen soll.
Gomez letztlich ohne Chance
Öner muss jetzt handeln. Er springt aus seinem Klappstuhl, sprintet zu seinem Boxer in die Ecke, schiebt den Trainer Orlando Cuellar zur Seite und schnauzt seinen Boxer an. Will ihn aufwecken, will ihm klar machen, dass es die Chance seines Lebens ist und er jetzt auf keinen schlapp machen darf. Ein wenig geht es in diesem Augenblick auch um die Zukunft von Öner. Der Mann – so viel Ärger hat er mit dem Gesetz - weiß: Wenn Gomez verliert, verliert auch er, und zwar jede Menge Geld.
Aber es ist zu spät. Gomez ist für ihn nicht mehr zu greifen, sieht verbeult und müde aus, die vielen Treffer und rechten Geraden seines Rivalen Klitschko haben ihn zermürbt. Der Gong zur neunten Runde ertönt noch einmal, Gomez wackelt auf Klitschko zu, aber es dauert nur noch einige Sekunden, dann ist Schluss. Aus. Vorbei. Gomez hat den wichtigsten Kampf seiner Karriere verloren und Klitschko seine große Klasse erneut unter Beweis gestellt.
Gomez startet offensiv
Dabei war Gomez gut in den Kampf gekommen. Angestachelt von den Pfiffen der 12.500 Zuschauer in der voll besetzten Stuttgarter Schleyerhalle wählte der Exilkubaner die Variante Attacke und versuchte Klitschko mit blitz- und überfallartigen Angriffen zu überraschen. Bei jedem noch so kleinen Versuch ihres Boxers sprang die Gomez-Ecke auf, der ganze skurrile Clan wirkte wie schon die gesamte Woche wie aufgedreht. Bereits vor dem Kampf gab es jede Menge Ärger mit den Karibik-Boys. Alle wollten in die Halle, aber ihre Karten reichten nicht. Erst als Gomez mit einer Kampfabsage drohte, gewährte der Veranstalter Einlass.
Gomez griff immer wieder an und hielt in den ersten fünf Runden gut mit. Nachhaltige Treffer gelangen ihm allerdings nicht, er wirkte technisch limitiert und Klitschko stand wie ein Fels in der Brandung. Schnell hatten beide nach einem Kopfstoß mit blutigen Cuts zu kämpfen, Klitschko oben auf dem Kopf, Gomez blutete unter dem rechten Auge.
Viele Prominente am Ring
Bei den Punktrichtern lag Klitschko von Beginn an vorne und spätestens ab der fünften Runde wurde der Kampf immer einseitiger. Gomez, der rund um die Hüften nicht perfekt austrainiert wirkte, kämpfte mit konditionellen Defiziten und die trockenen Schläge Klitschkos fanden immer besser ihr Ziel.
Auch die zahlreichen Prominenten am Ring – wenn ein Klitschko ruft, kommen sie alle gerne – waren sich im Klaren darüber, dass ihr persönlicher Kampf schon bald am Büffet weiter gehen wird. Boris Becker mit Bald-Ehefrau, Karl Dall, Uschi Glas, Ralf Schumacher, Franz Beckenbauer und der halbe VfB Stuttgart freuten sich mit ihrem aller Freund Vitali – und darüber, dass das blutige Schauspiel dann doch recht schnell ein Ende nahm. In der neunten Runde war es soweit: Nach einer Reihe schwerer Schläge Klitschkos hing Gomez kampfunfähig in den Seilen, Ringrichter Daniel van der Wiele hatte keine andere Wahl und brach den Kampf ab.
Wo sind die starken Gegner?
Auch wenn Klitschko nach dem Kampf Gomez jede Menge "Nehmerqualitäten" zusprach und immer wieder betonte, er habe hier und heute einen ehemaligen Weltmeister im Cruisergewicht besiegt, muss man sagen: Für die Klitschkos wird es immer schwieriger, wirklich gefährliche Gegner zu finden. In der Schwergewichtsszene sind gute Boxer rar gesät und auch das Duell gegen Gomez wurde erst durch das Medien-Ballyhoo im Vorfeld richtig interessant. Eine echte Siegchance hatte der Kubaner nie.
Klar ist aber auch: Das Volk liebt Vitali und Wladimir. Die Stuttgarter zeigten sich von der Vorstellung des Ukrainers begeistert. Was jetzt fehlt, ist ein Rivale auf Augenhöhe. "Den Riesen Valuev oder Chagaev" wolle er jetzt haben, sagte Klitschko noch im Ring nach seinem Sieg. Eine in der Tat reizvolle Vorstellung: "Dr. Eisenfaust" gegen den russischen Bären Valuev - da ist der nächste Zahltag garantiert.
Leider nicht für Ahmet Öner. Der nimmt derweil seinen weich geprügelten Boxer in den Arm, tröstet ihn und versucht ihn zu beruhigen. Fast so, als wollte er sagen: Du hattest deine Chance. Vielleicht die letzte deines Boxerlebens.