Man stelle sich Folgendes vor: FIFA und NFL beschließen testweise, zwei Partien zweier Auswahlteams mit gemischten Regeln durchzuführen. Oder aber Cricketweltverband und MLB würden solch ein Projekt aus dem Boden stampfen. Ob diese Verbände auf eine solche Idee kommen, mag bezweifelt werden.
Der Aussie-Rules-Verband AFL und der Gaelische Sportverband GAA beweisen bereits seit einiger Zeit einen gewissen Pioniergeist 1967 wurde zum ersten Mal ein Spiel basierend auf einer Mischung aus beiden Sportarten ausgetragen. Seit 1984 findet fast jährlich die International Rules Series einer australischen und einer irischen Auswahl statt.
Allerdings wurde das Duell um den seit 2004 benannten Cormac McAnallen Cup nicht immer regelmäßig ausgetragen, immer wieder und auch im nächsten Jahr war und ist dieses Sportereignis von der Einstellung bedroht. 1990 gab es die erste Pause, nachdem zum zweiten Test lediglich 7000 Zuschauer in Canberra ihr Interesse bekundet hatten. 1998 lebte die Serie wieder auf, die Verbände kürzten sie allerdings von drei auf zwei Spiele. 2007 zog der GAA die Reißleine, nachdem die Iren 2006 zu viele Verletzte zu beklagen hatten. Mit neuen Regeln ging es 2008 weiter.
In diesem Jahr setzten sich die Iren im ersten Test klar mit 80:36 durch, das zweite Spiel ging mit 50:29 ebenfalls an das Team von der Grünen Insel Irland schloss durch den Gewinn des achten Titels in der Historie zu den Australiern auf. Doch nun überdenkt die AFL ihr Engagement. Dies liegt zum einen, am schlechten Zuspruch Down Under: Die erste Partie wollten nur knapp 22.000 Zuschauer sehen, zum anderen, sind in beiden Ländern auch einige Akteure nicht für das Kräftemessen zu gewinnen.
Fünfzehn oder achtzehn Freunde sollt ihr sein
Vielleicht liegt das geringere Interesse an dem Regelwerk, schließlich ist das Geschehen auf dem Platz selbst für glühende Anhänger des einen oder anderen Sports gewöhnungsbedürftig. Besonders die Australier müssen sich an runde Bälle, rechteckige Spielfelder und Trikots mit Ärmeln gewöhnen. Außerdem dürften Down Under gleich drei Spieler vermisst werden: Fünfzehn statt der dort gewohnten achtzehn Protagonisten stehen auf dem Feld. Einer davon bleibt sogar als Torhüter ganz hinten.
Für die Iren dürfte das erlaubte Tackling und die weiteren Torstangen neben ihrem eigentlichen Tor am ungewohntesten sein. Ein weiteres Zugeständnis an die Gegner sind die Marks, die ein Aussie Rules Spieler dann verzeichnet, wenn der Ball 15 Meter oder mehr durch die Luft getreten und gefangen wird, ohne dass ein anderer Mit- oder Gegenspieler ihn währenddessen berührt.
Der Ball wird wie bei beiden Sportarten üblich per Pass weitergereicht, per Faust oder Hand geschlagen oder per Hand getragen aber Achtung, liebe Australier! Alle zehn und nicht fünfzehn Meter muss der Ball gedribbelt oder zumindest auf den Fuß fallen gelassen werden. Gezählt wird wieder gemischt: Ein Goal, das mit sechs Punkten belohnt wird, gibt es nur, wenn der Ball ins Fußballtor gelangt. Beim Aussie Rules würde ein Schuss zwischen die mittleren Stangen dafür genügen, doch für dieses Kunststück gibt es, sofern der Ball über die Latte und eben nicht ins Tor fliegt, ein Over und damit drei Punkte. Dazu gibt es das aus Australien bekannte Behind, den Kick durch die seitlichen Torstangen, der hüben wie drüben einen Punkt wert ist.
Eine Frage der Ehre?
Angesichts dieser Mischung aus Regeln beider Sportarten ist es wohl kaum erstaunlich, dass zumindest beim irischen Kantersieg zum Serienauftakt eine Spielergruppe stark bevorteilt war: "Unsere Spieler, die derzeit in der AFL unter Vertrag sind, haben absolut fantastisch gespielt", freute sich Irlands Coach Anthony Tonhill laut belfasttelegraph.co.uk über sein Quintett, das dank Spielerfahrung beim Aussie Rules und der mit Gaelic Football verbrachten Jugend, glänzen konnte.
Doch nicht so schnell - schließlich hat Australien immerhin die Hälfte der Titel gewonnen, die es bisher zu verteilen gab. In diesem Jahr - so scheint es - ist jedoch das Interesse nicht nur der Zuschauer, sondern auch der AFL-Spieler gesunken. Die großen Namen wurden auf australischer Seite jedenfalls vermisst.
Doch dies gilt ebenso für die Iren, von denen einige zugunsten ihrer Clubs absagten und damit bereits vor dem geringen Zuspruch in Australien bereits für eine Debatte über den faszinierenden Hybridsport aufwarfen. Wie, so der Tenor auf der Grünen Insel, soll die Begeisterung für die Serie geweckt werden, wenn die Besten von diesem Ereignis fernbleiben? Eine Hilfe ist natürlich auch nicht, dass die heimische Liga Ende Oktober - dem festgesetzten Zeitpunkt des Aufeinandertreffens - mitten im Kampf um Titelehren ist.
Das alte Lied
So bleibt die Zukunft dieser einzigartigen Hybridsportart wieder einmal gefährdet. Dies ist kein wirklich neuer Umstand, wie bereits oben zu lesen. Dieses Mal scheint es jedoch eine Mischung aus Zuschauer- und Spielerzuspruch, und auch die Kritik in den Medien tut ihr übriges zum derzeitigen Tiefpunkt.
Langweilig seien die letzten Ausgaben gewesen, urteilten die Kritiker. Zuviel Gewalt aufseiten der Australier besonders im zweiten Test, als es Gelbe Karten im Dutzend für die Jungs aus Down Under gab. "Hässlich", sei es gewesen, so theroar.com.au, "zum Einschlafen", urteilte theage.com.au. Auffällig dabei, dass die Einseitigkeit auf dem Spielfeld auch im Zuspruch zu finden war. Während die Iren sich zu Verteidiger des Ereignisses aufschwangen, entschieden sich die Australier für die Gegenposition.
Und das ist wiederum wie im Stadion: Mal sind es die Einen, mal die Anderen, die eine bestimmte Position einnehmen. 1990 sprachen sich die Australier gegen die Series aus, 2007 pochten die Iren auf Änderungen - nun sind es also wieder einmal die Aussies, die den Spielverderber spielen wollen.
Vielleicht aber besinnen sich beide Seite doch noch darauf, was diese Serie auch ausmacht: "Eine der schönen Sache dieser Serie ist, dass wir nach Australien kommen, die Kultur des Landes und der AFL kennenlernen", zitierte irishtimes.com Coach Tonhill, der damit zudem eine Art Erklärung lieferte, warum das jeweilige Besucherteam in den Spielberichten gerne The Tourist genannt wird. Vielleicht packt die Herren der AFL doch noch das Fernweh - im Oktober des nächsten Jahres würde es ja turnusgemäß nach Irland gehen.
Sven Kittelmann