Noch immer sitzen tausende geflüchtete Menschen in Auffanglagern in Griechenland fest. Neben den katastrophalen hygienischen und infrastrukturellen Umständen kommt nun eine weitere Bedrohung für die Migranten hinzu: der Hunger.
Wie die Hilfsorganisation "International Rescue Committee" (IRC) berichtet, ist knapp ein Drittel der 16.559 Migranten, die derzeit in Auffanglager auf den griechischen Inseln sitzen, von einer Hungersnot bedroht. Das IRC macht für diese humanitäre Katastrophe die griechische Regierung verantwortlich. Diese hätte im vergangenen Herbst beschlossen, die Essensausgabe an alle Menschen, die nicht Teil eines Asylverfahrens sind, einzustellen. Diejenigen, deren Asylantrag bewilligt oder abgelehnt werde, könnten bis auf Weiteres in den Lagern bleiben, würden aber kein Essen mehr bekommen.
6000 Menschen in den Geflüchtetenlagern werden nicht versorgt
Derzeit würde genug Essen für 10.213 Menschen zur Verfügung gestellt werden, mehr als 6.000 Menschen würden nicht versorgt, so das IRC. Die Hilfsorganisation verurteilt dieses Vorgehen, insbesondere, da etwa 40 Prozent der Migranten in den Camps Kinder sind.
Lehrer der örtlichen Schulen berichten davon, dass viele Kinder ohne gefrühstückt zu haben, zum Unterricht kommen und nicht einmal Snacks für die Pause mithätten.
Dimitra Kalogeropolou, Griechenland-Direktorin des IRC, zeigt kein Verständnis für diese Situation: "Es ist unhaltbar, dass Menschen in Griechenland kein Essen bekommen – in einem Land, das über die Mittel verfügt, allen Menschen Nahrung und Sicherheit zu gewährleisten."
Das IRC setze sich seit Ende des vergangenen Jahres im Speziellen dafür ein, dass diese "inakzeptable Situation" beendet werde. Grund für diese Umstände sei die Gesetzesänderung, durch die Menschen, die sich nicht in Asylverfahren befinden, keine lebenswichtige Dienstleistungen mehr erhalten.
"Die Menschen werden an den Rand des Abgrunds gedrängt"
Kalogeropolou betont: "Organisationen vor Ort berichten, dass Kinder weinen, weil sie seit Tagen keine anständige Mahlzeit mehr bekommen haben. Wir werden gerade Zeugen von Zuständen, die einer Hungersnot gleichkommen könnten."
All diese Warnungen scheinen in den Hallen des griechischen Parlamentes zu verhallten. Auch die EU-Kommission fordert von der Regierung, dass umgehend alle Menschen – unabhängig von ihrem Status – Lebensmittel erhalten.
Wie "The Guardian" berichtet, bezeichnet der Staatssekretär für die Erstaufnahme von Migrantinnen und Migranten Manos Logothetis die Vorwürfe vehement als "Unsinn". Die Hilfsorganisationen hätten diese Behauptungen erfunden.
"Über das Meer wollen nur die, die überhaupt nichts zu verlieren haben"

"Ich hatte schon Geld gespart, war fest entschlossen zum Trip nach Europa. Von den Gefahren wusste ich: Als Frau hätte ich unterwegs vergewaltigt werden können. Aber hier in Tamale hatte ich einfach keine Hoffnung mehr. Aminu Munkaila hat mich überzeugt zu bleiben. Seine Organisation AFDOM finanzierte mir eine zweijährige Ausbildung zur Schneiderin und dann eine eigene Nähmaschine. Nur mit Handantrieb, aber egal. Ich arbeite im Freien, im Schatten eines Baums, da gibt es eh keinen Strom. Für eine Werkstatt fehlt mir noch das Geld. Aber ich habe genug Kundschaft.
"Wenn auch nur zehn Geflüchteten in diesem Land die Essensausgabe verwehrt wurde, werde ich meinen Job hinschmeißen." Und weiter: "Wenn eine Hungersnot tatsächlich existieren würde, gebe es Proteste und Aufstände", so der Minister.
Man führe jede Woche Gespräche mit der zuständigen EU-Kommissarin und habe ihr versichert, dass es keine Probleme mit Lebensmitteln gebe und alle, die sie erhalten sollen, einschließlich der Bedürftigen und Behinderten, die Unterstützung auch erhalten, betont Logothetis.
In einer schriftlichen Erklärung bekräftigte das Ministerium jedoch, dass nach griechischem und europäischem Recht nur Personen, die internationalen Schutz beantragen, als Begünstigte betrachtet werden könnten und Anspruch auf materielle Aufnahmebedingungen und damit auf Nahrungsmittel hätten.
Viele Migranten kehren in die Lager zurück
In den vergangenen Monaten ist aber genau jene Gruppe, die nicht in dieses Raster passt, gewachsen – auch wenn Athen für eine schnellere Bearbeitung der Asylanträge gelobt wird.

Doch daraus erwachsen auch neue Probleme. Die Integrationshilfen in Griechenland sind sehr spärlich, sodass Menschen, deren Asylanträge bewilligt wurden, in die Lager zurückkehren, weil bürokratische Hürden und die Sprachbarriere einen Jobeinstieg für das Erste unmöglich machen.
Das sieht Kalogeropolou ähnlich: Menschen, deren Geflüchtetenstatus in Griechenland anerkannt wurde, seien gezwungen, in Lagern zu leben, da sie aufgrund fehlender Integrationshilfen keine Möglichkeit hätten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen oder eine eigene Wohnung zu mieten.
Die Camps seien somit das letzte Fangnetz, in das die Migranten immer wieder zurückfallen: "Sie können nirgendwo anders hin, und die Bereitstellung von staatlichen Lebensmitteln ist die einzige Möglichkeit, sich zu ernähren", erklärt Kalogeropolou.
Ob bewilligter oder abgelehnter Asylstatus, für sie steht eine Sache fest: "Es muss sich dringend etwas ändern."
Quellen: "International Rescue Committee", The Guardian