Ist das deutsche Warenhaus nach der dritten Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof tot?
Die Art, wie Galeria Karstadt Kaufhof das Geschäft betreibt, wird es künftig sehr schwer haben – das reicht vom Warenangebot, bis zu den Preisen und den angeschlossenen Online-Shops. Der traditionelle Kaufhof oder Karstadt ist einfach zu beliebig geworden. Wenn man sich nicht fokussiert und alles bestenfalls halb richtig macht, dann wird es sehr eng. Aber das Geschäftsmodell eines Warenhauses hat Zukunft.
Was heißt die Insolvenz für die Innenstädte?
Dass Galeria Kaufhof stirbt, ist ein Zeichen für eine positive Innenstadtentwicklung und nicht umgekehrt. Der Fokus muss auf Relevanz und Qualität liegen. Dann kann auch Neues entstehen. Denn es ist ja nicht so, dass die Leute nicht mehr in der Innenstadt einkaufen wollen – das Gegenteil ist richtig. Die Kunden verzeihen nur keine schlecht umgesetzte Geschäftsmodelle mehr.
Wie könnten die Immobilien der alten Warenhäuser in Top-Lagen sinnvoll weiter genutzt werden?
Man muss fragen, ob diese Riesengebäude allein für den Verkauf genutzt werden sollen. Vielleicht ist es sinnvoller, mit kleinerer Shops dem Kunden einen klarerer Fokus zu bieten und dann den Rest der Fläche anders zu bewirtschaften: Zum Beispiel als Lager- und Logistikfläche für im Netz bestellte Waren. Oder für gute Gastronomie oder neue Dienstleistungen.
Ist es nicht ein Widerspruch, an teuren Standorten Lager und Logistik zu betreiben?
Nicht unbedingt. Es gibt ja mittlerweile schon Logistik-Hubs in Innenstädten, die nur nicht so auffallen. Gerade in kleineren Städten kaufen die Leute Alltagsgegenstände online ein – worauf der stationäre Handel reagieren muss. Der kann den Online-Kanal ganz neu entdecken, auch weil er vor Ort ist und aus zentralen Lagen die Ware schnell liefern oder bereitstellen kann. Das Ziel wäre so eine Art lokales Amazon, womit zum Beispiel Galaxus in der Schweiz bereits Erfolg hat.
Bleibt es denn dabei, dass die Fußgängerzonen vor allem Orte sind, an denen Waren gekauft werden?
In meiner aktuellen Forschung mit 2000 Befragten zeigt sich, dass die reine Menge der gekauften Waren bis 2030 um insgesamt rund 20 Prozent abnehmen wird. Dafür wird bewusster gekauft, mehr auf Nachhaltigkeit geachtet und angesichts von Krisen und Inflation auch auf den Preis. Das hat auch Folgen für den Handel. Die Leute wollen Produkte von internationalen Marken mit Strahlkraft zu fairen Konditionen – was auch dazu beiträgt, dass die Innenstädte sich immer weiter angleichen. Die Marken, die die alte Mitte der Bundesrepublik repräsentieren – wie Karstadt und Kaufhof – haben es schwer gegen neuere Anbieter wie Zara, die näher am Zeitgeist sind.
Verstehen Sie, dass viele Menschen an den Warenhäusern hängen und sie gerne behalten wollen, auch wenn sie da gar nicht unbedingt einkaufen?
Psychologisch ist das nachvollziehbar. Die Sehnsucht nach der Vergangenheit kommt gerade in einer Zeit wie jetzt auf, in der Krisen und Unsicherheit die Menschen belastet. Wir haben aber auch schon bei anderen Handelsformaten wie Schlecker gesehen, dass nach einer gewissen Zeit den Leuten klar wird, dass es auch ohne geht. Meine erste Sorge bei Galeria Karstadt Kaufhof gehört den Mitarbeitenden. Aber wir reden im Handel mittlerweile flächendeckend von Fachkräftemangel, so dass auch da Lösungen gefunden werden können.