Deutschland vergreist Wer kriegt noch Rente, Frau Leiber?

Das ZDF malt in seiner neuen Reihe "2030 - Aufstand der Alten" ein Horrorszenario an die Wand: Verarmte Rentner schlagen sich mit McJobs durch, Pflegebedürftige werden von Robotern versorgt. stern.de sprach mit der Renten-Expertin Simone Leiber über das Risiko Alter.

Das ZDF spekuliert in seinem Dreiteiler "2030", dass sich verarmte Rentner künftig mit McJobs durchschlagen müssen. Ist das realistisch?

Ich habe den Film nicht vollständig gesehen - aber ich fände es schade, wenn das Thema Alter nur negativ dramatisiert wird.

Dann wenden Sie das Thema doch mal positiv.

Zunächst einmal ist es ja eine gute Nachricht, dass wir länger leben werden. Außerdem kann der demographische Wandel dazu führen, dass die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt steigt.

Fragt sich nur, was Angestellte dann noch von ihrer Arbeit haben. In nicht allzu ferner Zukunft wird ein Angestellter einen Rentner ernähren muss. Diesen Fakt vor Augen: Was spricht eigentlich gegen die Rente mit 67, die derzeit so heftig von der IG-Metall bekämpft wird?

Das, was Arbeitgeber und Regierung fordern, ist schon paradox: Einerseits sollen die Menschen bis 67 arbeiten, andererseits haben es schon 50-Jährige schwer, überhaupt noch einen Job zu finden. Außerdem entlastet dieser Schritt die Rentenbeiträge bis 2030 nur um 0,5 Prozentpunkte.

Dr. Simone Leiber

... arbeitet als Expertin für Sozialpolitik an der gewerkschafts-eigenen Hans-Böckler-Stiftung. Zuletzt publizierte sie "Europäische Sozialpolitik und nationale Sozialpartnerschaft." Frankfurt am Main Campus 2005.

Aber wird sich das Problem für Ältere, einen Job zu finden, nicht über kurz oder lang erledigen, einfach deshalb, weil nur wenig jüngere Arbeitnehmer nachwachsen?

Das mag auf lange Sicht so sein. Aber die Reformen der großen Koalition greifen schon ab 2012 - und die Rente mit 67 führt dazu, dass die Menschen länger auf dem Arbeitsmarkt sind. Um diesen Effekt auszugleichen, müssten bis zu drei Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden. Ob das gelingt, ist allerdings fraglich. Außerdem wird es auch in Zukunft so sein, egal wie sich die Demographie entwickelt, dass schlecht Ausgebildete schlechte Chancen haben.

Ihr Vorschlag?

Wir müssen in Bildung investieren, und dürfen auch dann nicht an Schulen und Universitäten sparen, wenn die Zahl der Schüler und Studenten sinkt. Darüber hinaus sollten wir die Weiterbildung stärken, Stichwort "Lebenslanges Lernen". Das Renteneintrittsalter sollte nur dann hoch gesetzt werden, wenn es die Lage auf dem Arbeitsmarkt erlaubt. Die Regierung will über den Arbeitsmarkt für Ältere künftig Berichte anfertigen - aber sie muss dann auch die Konsequenzen daraus ziehen.

Mehr Bildung klingt gut - aber für viele käme diese Maßnahme ohnehin zu spät. Wird es in Zukunft eine Art Zweiklassengesellschaft unter den Rentnern geben?

Die staatliche Rente wird sinken, soviel ist sicher. Die gesetzlich festgeschriebene Untergrenze für das Nettorentenniveau vor Steuern liegt 2020 bei 46 Prozent, 2030 bei 43 Prozent, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Renten tatsächlich soweit sinken. Um einen Betrag oberhalb des Sozialhilfeniveaus zu beziehen, wird man schon sehr lange arbeiten müssen. Wer zum Beispiel eine längere Phase arbeitslos war, wird später Probleme bekommen.

Die Prozentzahlen, die Sie genannt haben, signalisieren, dass wir auf eine Grundrente zusteuern, auch wenn sie nicht so genannt wird.

Das könnte sein.

Wie wollen Sie diese Entwicklung verhindern?

Es müssen mehr Menschen in sozialversicherungspflichtige Jobs gebracht werden. Das bedeutet, einerseits die nicht-sozialversicherungspflichtigen Jobs abzubauen und Anreize für sozialversicherte Stellen aufzubauen.

Ein frommer Wunsch. Welche Generation wird, wenn es so weiter geht, eigentlich am ärgsten von der Rentenproblematik getroffen?

Es ist nicht allein entscheidend, welcher Generation man angehört. Die Frage ist, ob man es sich leisten kann, private Vorsorge zu betreiben. Es kommt also auf die Qualität des jeweiligen Jobs an.

Interview: Lutz Kinkel