Roland Müller bekommt viele Briefe in seinem Mainzer Büro, und immer stecken Geldscheine darin. Zwanziger, Fünfziger, Hunderter, sogar Fünfhunderter. Kaufen kann er sich dafür nichts. An jeder Note hängt ein Formblatt "polizeiliche Falschgeldmeldung". Müller, Blütensachverständiger im Nationalen Falschgeldzentrum der Deutschen Bundesbank, beäugt jeden Schein wie ein Kunstsammler ein neues Werk - immer gespannt, "ob den Burschen was anderes, Besseres gelungen ist".
Er und seine Kollegen klassifizieren Papierart, Farbe, Herstellungsart und die besonderen Fälschermerkmale jeder Blüte. Das erleichtert die Fahndung nach den Produzenten, "denn jeder hat seine eigene Handschrift". In jüngster Zeit murmelte der gelernte Drucker Müller bei dieser amtlichen Begutachtung häufig anerkennend: "Toll gemacht! Sicherheitsfaden, Hologramm, Perlglanzstreifen, Durchsichtregister, Wasserzeichen. Alles drauf. Da steckt ein Fachmann hinter."
Die illegale Konkurrenz rüstet auf. Nicht nur die Qualität der Falsifikate, auch die Menge steigt. Die ersten farbkopierten Euro-Fälschungen tauchten im März 2002 in Deutschland auf, drei Monate nach Einführung der neuen Währung. 2003 zog die Bundesbank bereits mehr als 50000 Blüten aus dem Zahlungsverkehr; vergangenes Jahr waren es rund 81000 falsche Scheine, vor allem Fünfziger und Hunderter. Noch einmal mindestens doppelt so viel Falschgeld stellte die Polizei zudem bundesweit bei Produzenten und Dealern sicher, bevor es den Bürgern untergeschoben werden konnte.
Da stellt sich vielen die Frage: Wie sicher ist der Euro? "Nicht sehr", behauptet Fachautor Klaus Bender, der das Buch "Geldmacher, das geheimste Gewerbe der Welt" geschrieben hat. Bei der Festlegung der Sicherheitsstandards hätten sich die zwölf Euroländer "auf den kleinsten gemeinsamen Nenner" geeinigt. Große Konzessionen bei den Qualitätsvorgaben erzwangen vor allem die Franzosen, deren Staatsdruckerei das Geld noch im billigen Rollendruck auf Endlospapier herstellt, "wie von einer Rolle Haushaltspapier", während alle anderen den hochwertigeren Bogendruck anwenden. Auch die Nachlässigkeit, mit der einige Zentralbanken die umlaufenden Noten prüfen und ramponierte erneuern, erleichtert es Fälscherbanden, ihre falschen Fuffziger unter die Leute zu bringen.
Bundesbankdirektor Wolfgang Söffner, Leiter des Zentralbereichs Bargeld in Frankfurt, führt die wachsende Blütenpracht auf die globale Bedeutung des Euro neben dem Dollar zurück. "Eine Weltwährung zu fälschen ist für große Organisationen attraktiver als das Zahlungsmittel eines einzelnen Landes." Und die neuen technischen Möglichkeiten, von Scannern bis zu Farbkopierern, erleichtern den Ganoven das Geschäft.
Achtlosen Verbrauchern fällt es nicht auf, wenn die gängigsten Sicherheits-merkmale wie Wasserzeichen, glitzerndes Hologramm und Perlglanzstreifen fehlen oder wenn anstelle der Glitzerfolie mit eingeprägter Wertzahl auf den Fünfern, Zehnern und Zwanzigern nur Silberpapier aufgepappt wurde, das an den Ecken schon mal abblättert. Bargeldexperte Söffner wundert sich oft, "warum die Leute ihre Geldscheine nicht mindestens so genau ansehen wie das Gültigkeitsdatum auf dem Joghurtbecher". Sogar einseitig bedruckte Noten oder giftgrüne Dreihunderter und Tausender, die im offiziellen Sortiment gar nicht existieren, wurden schon in Umlauf gebracht.
Neben solchen Luschen aber überschwemmen zunehmend High-Tech-Falsifikate den Markt, die selbst aufmerksame Laien täuschen. Die Noten werden auf mehrlagigem Spezialpapier mit Glimmerfasern und eingelegtem Sicherheitsstreifen gedruckt, anschließend in mehreren Arbeitsgängen mit den charakteristischen Sicherheitsmerkmalen verziert. "Alles mühsame Handarbeit", sagt der Blütensachverständige Roland Müller. Das Hologramm mit korrekt eingeprägter "50" glitzert farbenfroh, fast wie echt. Erst unter dem Mikroskop zeigt sich, das die demetallisierten Punkte und Linien fehlen. Im Gegenlicht taucht auch ein Wasserzeichen auf. "Nachher aufgedruckt", sagt Müller mit Kennerblick, "dabei kriegt man den heller strahlenden Farbton der "50" darunter nie hin."
Als Nächstes tasten seine Fingerspitzen über die EZB-Buchstabenreihe oben links, die sich bei echten Noten durch verstärkten Stichtiefdruck reliefartig abheben. Doch auch bei dieser Blüte fühlt Müller etwas Erhabenes. "Da wurde nach dem Offsetdruck noch mal nachgeprägt", urteilt er. Laien können solche Feinheiten nicht unterscheiden. Selbst Experten brauchen zur Entdeckung mancher Prachtblüten Lupe, Mikroskop, Leuchttisch und ein hochsensibles UV-Gerät.
In letzter Zeit sind täuschend echte Zweihunderter aufgetaucht, deren Wertzahl rechts unten beim Kippen sogar leicht die Tönung verändert. Zwar nur von dunkel- auf hellviolett statt auf olivgrün wie beim Original, aber für das bloße Auge kaum zu unterscheiden. Im Papier der Blüten, das wie die echten Scheine aus Baumwolle besteht, leuchten beim UV-Test auch die typischen fluoreszierenden Partikel auf. Solche Profi-Exemplare fallen bei der simplen Prüfung mit einem Euro-Quick-Tester an Kaufhauskassen nicht auf.
Weil manche Bankhäuser gar keine Prüfmaschinen besitzen, ist es sogar möglich, dass Kunden Falschgeld am Automaten ziehen. Nur die hochsensiblen Maschinen der Bundesbank, die auch auf die unsichtbaren, geheimen Sicherheitsmerkmale wie Magnetismus ansprechen, entlarven falsche Scheine garantiert. Wie viele Falsifikate in den Notenpaketen stecken, die Deutschlands Geldhäuser täglich per Werttransport bei der Bundesbank einzahlen, "ist strikt geheim", sagt Bundesbanker Söffner.
"Die besten Nachahmungen kommen derzeit aus Litauen und Bulgarien, wo früher auch die DM und der Dollar schon perfekt gefälscht wurden", sagt Eduard Liedgens, Leiter der Falschgeldabteilung im Bayerischen Landeskriminalamt. In Osteuropa leben viele arbeitslose Grafiker und Drucker, die ihre Kunst nun als Euro-Ich-AG vermarkten: mit einer ausrangierten Druckmaschine im Keller und Beziehungen zu ausgezeichneten Papierlieferanten. Dass die Herstellung jeder falschen Note stundenlanges Herumtüfteln erfordert, schreckt niemanden ab in Ländern, wo das monatliche Durchschnittseinkommen bei 150 Euro liegt. Bei der Verteilung helfen angeblich Ex-Geheimdienstler; polizeilich gesichert ist die Einfuhr durch Gastarbeiter, Touristen und "gut gekleidete Herren". Kriminalkommissar Liedgens berichtet von Touristenbussen, in denen kofferweise Blüten sichergestellt wurden. Immer zeigten sich die Besitzer "völlig ahnungslos".
Geldexperten der EZB grübeln unentwegt, wie sie den Euro fälschungssicherer machen können. Dazu werden ausgefeiltere Sicherheitsmerkmale wie Mikrofunkchips, wärmeempfindliche Effektfarben und Laserlochmuster getestet. Und die ersten Computerhersteller bauen bereits einen Schutz in die Software von Bildbearbeitungsprogrammen ein, der das Kopieren von Geldscheinen blockiert. "Wir müssen den Fälschern immer eine Nasenlänge voraus sein", sagt Bundesbanker Söffner. Bei diesem Wettrennen stört allerdings die mangelnde Flexibilität der EZB. Ein nachgerüsteter Euro könnte frühestens ab 2008 sukzessive eingeführt werden. Bis dahin werden die alten Noten unverändert nachgedruckt. Auch in Deutschland gehen in diesem Jahr die alten Zehner, Fünfziger und Fünfhunderter in einer Auflage von 3,5 Millionen Stück wieder in Serie.