Kredite in Not Banken verkaufen faule Darlehen

Wenn Kredite nicht getilgt werden können, kann das Eintreiben der Schulden für Banken Jahre dauern. Immer häufiger verkaufen deutsche Kreditinstitute daher ihre "faulen" Kredite weiter.

Wenn ein Schuldner seinen Kredit pünktlich zurückzahlt, freuen sich beide Seiten. Ist er auf Grund eines zu hohen Risikos oder falscher Einschätzungen aber knapp bei Kasse, stehen die Gläubiger - meist Banken - vor einem Problem: "Not leidende" oder "leistungsgestörte" Kredite heißen solche Darlehen im Fachjargon. Das Eintreiben der Schulden kann Jahre dauern - wenn überhaupt noch etwas zu holen ist. Immer häufiger verkaufen deutsche Banken daher ihre faulen Kredite in Milliardenhöhe an spezialisierte Fonds oder andere Banken weiter.

Auf ein Volumen von rund 300 Milliarden Euro schätzen Branchenexperten den Berg der faulen Kredite für Privatleute, Unternehmen und Immobilien in Deutschland. Offizielle Zahlen gibt es nicht, doch die geschätzte Summe, die weit über dem gesamten Umsatz der deutschen Autoindustrie (226 Milliarden Euro) liegt, lässt erahnen, dass durchaus Sprengstoff in dem Thema steckt. Zuletzt machte die HypoVereinsbank mit der Ankündigung Schlagzeilen, Not leidende Immobilienkredite im Volumen von 15 Milliarden Euro verkaufen zu wollen. Gleichzeitig wurden von dem Portfolio 2,5 Milliarden Euro "abgeschrieben" und finden sich nun als Verlust in der Bilanz wieder.

"Wir sind an allem interessiert"

Wenn eine Bank solche Kredite abstoßen will, führt ihr Weg oft zu Karsten von Köller. Der 65-jährige ehemalige Eurohypo-Vorstandsvorsitzende war eigentlich schon in Pension, als die texanische Fondsgesellschaft Lone Star ihn zum Chef ihres Deutschland-Geschäfts machte. Von den etwas weniger als zehn Milliarden Euro an faulen Krediten, die 2004 hier zu Lande auf den Markt kamen, sammelte Lone Star 6,2 Milliarden Euro ein. Steht eine Bank vor der Tür und fragt bei ihm an, lautet von Köllers Antwort: «Wir sind an allem interessiert. Schaut, was Ihr am liebsten loswerden wollt, und wir bestimmen dann den Preis.» Die Banken müssen beim Verkauf zwar einen kräftigen Abschlag hinnehmen, gewinnen daraus aber Kapital für neue Geschäfte und vermeiden das Risiko eines Totalausfalls.

Von Köller hat in Frankfurt nur zwei Kollegen und wird von einem Lone Star-Team in London unterstützt. Die Bearbeitung der gekauften Kredite übernimmt die Tochtergesellschaft Hudson Advisors mit 200 Beschäftigten an verschiedenen deutschen Standorten. Per Stellenanzeige werden weitere Mitarbeiter gesucht. Sie treiben die Schulden ein - ähnlich wie zuvor die Banken, aber häufig mit mehr Einsatz. "Wir gehen vorsichtig und korrekt vor - was nicht heißt, dass wir die Zügel schleifen lassen", betont der Lone Star-Manager. "Wir bekommen oft sogar positive Reaktionen wie 'Endlich kümmert sich jemand und sucht nach einer Lösung'."

Solche Abteilungen werden manchmal "bad bank" genannt

Da Lone Star weniger als den ursprünglichen Wert für die Kredite gezahlt hat, kann der Spezialist sich auch mit entsprechend niedrigeren Rückzahlungsquoten zufrieden geben und trotzdem Gewinne machen. Vom Häuslebauer über die Tankstelle bis zum Altenheim reicht die Schar der Schuldner. Auch schwer vermietbare Immobilien in Ostdeutschland als Sicherheiten schrecken Lone Star nicht ab - wenn der Preis stimmt. Die deutlich zweistellige Rendite dieses Geschäftsmodells kommt dann den Investoren der Fonds zugute.

Vorreiter beim Verkauf von Darlehen in Deutschland war 2003 die Dresdner Bank, die ihre faulen Kredite - zusammen mit anderen Geschäften - in eine eigene Sparte ausgegliedert hat. Solche Abteilungen werden manchmal "bad bank" (schlechte Bank) genannt. Die Kredit-Pakete können direkt oder über eine Auktion verkauft werden. "Wir sind auf größeres Interesse gestoßen, als wir erwartet hatten", zieht ein Sprecher der Dresdner Bank Bilanz.

"Unser Appetit ist noch keineswegs gestillt"

Derzeit werde mit Lone Star und der Investmentbank Merrill Lynch über den letzten großen Brocken der Sparte, ein Bündel von deutschen Krediten im Volumen von zwei Milliarden Euro, verhandelt. Betrachtet man die gesamte Branche, ist noch kein Ende der Verkäufe abzusehen: Auch die Problemkredite der ehemaligen SchmidtBank (2,2 Milliarden Euro) sind noch zu haben - dort bietet Lone Star gemeinsam mit der Deutschen Bank. In den kommenden Monaten kommen dann die Pakete der HypoVereinsbank auf den Markt. "Unser Appetit ist noch keineswegs gestillt", meint von Köller.

Alexander Missal/DPA

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