Wenn das Bundeskabinett am (heutigen) Mittwoch den Entwurf für ein neues Vertragsrecht der Ärzte erörtert, dann nicht ohne handfeste Hintergedanken. Denn die Politiker wollen, dass niedergelassene Ärzte ihre Arbeit künftig flexibler gestalten kännen. Damit soll unter anderem der Ärztemangel in ländlichen Gebieten bekämpft werden. Geplant sind freiere Arbeits- und Anstellungsmöglichkeiten. Gleichzeitig wurde aber aus der Gesetzesvorlage kurzfristig der Zeitpläne zur Einführung eines neuen Honorarsystems für niedergelassene Ärzte gestrichen. Die Koalition zog die Ankündigung einer neuen neuen Vergütung zum 1. Januar 2009 zurück. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) gab Ärzten und Krankenkassen eine letzte Frist bis Ende 2006 für eine Einigung.
Ärzte-Honorierung soll umgestellt werden
An diesem Sonntag kommt der Koalitionsausschuss von Union und SPD in Berlin zusammen. Dabei will Schmidt über den Stand der Verhandlungen bei der Gesundheitsreform berichten. Schmidt hatte sich für Einsparungen vor allem auf dem Arzneimittelmarkt ausgesprochen. Über Strukturreformen, mit denen auch Sparmöglichkeiten ausgeschöpft werden sollen, berät derzeit eine 16-köpfige Koalitionsarbeitsgruppe.
Die große Koalition will die Honorierung der Ärzte komplett umstellen. Wie SPD-Fraktionschef Peter Struck dem "Münchner Merkur" (Mittwoch) sagte, wird das bisher geltende Punktesystem abgeschafft. "Wir werden eine Lösung finden, die den Ärzten klar sagt, wie viel sie für eine bestimmte Leistung bekommen", sagte Struck dem Blatt. "Die jetzige Regelung, nach der Ärzte nicht einmal wissen, was sie verdienen, ist unzumutbar.Wir werden eine Lösung finden, die den Ärzten klar sagt, wie viel sie für eine bestimmte Leistung bekommen. Umgekehrt muss es auch den Versicherten klar gemacht werden, wie viel eine ärztliche Leistung kostet."
Ende der Benachteiligung für Hausärzte
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach will die Ärztehonorare gleichmäßiger verteilen. "Hausärzte dürfen im Vergleich zu den Fachärzten nicht weiter benachteiligt werden", sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Mittwoch). Die Ärzte in unterversorgten Regionen sollten begünstigt werden, ansonsten müsse das Einkommen von der Region unabhängig sein, forderte Lauterbach. Zudem befürwortet er eine Einkommensumverteilung unter den Klinikärzten: "Würden die Einnahmen durch Privatpatienten gleichmäßig auf alle Klinikärzte verteilt, würde das 20 Prozent mehr Einkommen bedeuten", sagte er. Einbußen erlitten nur die Chefärzte, die den Hauptanteil der Einnahmen von Privatpatienten für sich behielten.
Ungeachtet dramatischer Ärzte-Warnungen vor einer reinen Sparreform im Gesundheitswesen setzt der SPD- Vorsitzende Kurt Beck auf Einsparungen in Milliardenhöhe. "Ich bin sicher: Da lassen sich Milliarden finden", sagte er der "Bild"- Zeitung (Mittwoch). Höhere Beiträge oder Medikamenten-Zuzahlungen lehnte Beck dagegen ab. "Die Höhe der Kassenbeiträge ist ausgereizt - und das gleiche gilt für die Zuzahlung bei Medikamenten."
Ärztetag prangert "verfehlte Gesundheitspolitik" an
In Magdeburg forderte der Deutsche Ärztetag ein Ende der "verfehlten Gesundheitspolitik". In einem Beschluss kritisierten die Ärzte am Mittwoch "die unzureichende Bezahlung ärztlicher Arbeit und die miserablen Arbeitsbedingungen". Freie Arztwahl, Therapiefreiheit und der freie Zugang zur Gesundheitsversorgung seien gefährdet, stellten die 250 Delegierten fest. "Ein weiter so geht deshalb definitiv nicht." Zudem forderte der noch bis Freitag dauernde Ärztetag eine grundlegende Veränderung der Vergütung und einen Bürokratieabbau. Die Bundesregierung müsse bei der Gesundheitsreform eine bessere Bezahlung ausdrücklich auch der Klinikärzte einberechnen.