Pharma Lipobay-Folgen werden für Bayer unkalkulierbar

Die Angst vor immens hohen Belastungen im Rechtsstreit um den Cholesterinsenker Lipobay verfolgt den Chemie- und Pharmakonzern Bayer: weitere hohe Schadensersatzzahlungen werden nicht mehr ausgeschlossen.

Die finanziellen Folgen des Lipobay-Debakels werden für den Chemie- und Pharmakonzern Bayer immer unkalkulierbarer. Die Zahl der Schadensersatzklagen von US-Patienten sei inzwischen auf rund 8.400 gestiegen, berichtete Bayer-Chef Werner Wenning am Donnerstag bei der Vorstellung der Unternehmensbilanz 2002. Die daraus resultierenden Haftungsrisiken ließen sich derzeit nicht abschätzen. Die Bayer-Aktie verlor daraufhin bis zum Mittag erneut rund vier Prozent an Wert. Seit Jahresbeginn büßte das Papier damit rund die Hälfte des Wertes ein.

Ausgang lässt sich unmöglich voraussagen

"Der Ausgang und die finanziellen Auswirkungen eines Prozesses vor allem in den USA lassen sich unmöglich mit Sicherheit voraussagen", betonte der Bayer-Chef. Sollten sich die Kläger in erheblichem Umfang durchsetzen, sei es möglich, dass die von Bayer abgeschlossenen Versicherungen zur Deckung der Kosten nicht ausreichten.

Bereits 500 Vergleiche geschlossen

Bayer hat Wenning zufolge inzwischen mit 500 US-Patienten Vergleiche ohne Haftungseingeständnis geschlossen und dabei etwa 140 Millionen Euro gezahlt. In mehreren hundert weiteren Fällen dauerten die Vergleichsverhandlungen noch an. Gleichzeitig betonte der Manager, Bayer habe sich nichts vorzuwerfen. Das Unternehmen habe verantwortungsvoll und angemessen gehandelt.

Kein Ende der Prozesslawine

Doch ist eine Ende der drohenden Prozesslawine nicht absehbar. Im Gegenteil: Durch eine in New York eingereichte Aktionärsklage kommen inzwischen weitere Risiken auf Bayer zu. In ihr fordern US-Aktionäre Schadensersatz, weil der Kurs von Bayer-Papieren durch unzureichende oder fehlerhafte Informationen über das Lipobay-Debakel "künstlich aufgebläht" worden sei. Der Bayer-Chef kündigte an, der Konzern werde sich gegen die Klage vehement zur Wehr setzen.

Gedämpfter Optimismus für 2003

Bayer hatte den Cholesterinsenker Lipobay, der weltweit mit rund 100 Todesfällen in Zusammenhang gebracht wird, bereits im Sommer 2001 vom Markt genommen. Dennoch überschatten die Lipobay-Risiken auch weiterhin alle Bemühungen des Konzerns, nach dem Debakel wieder Tritt zu fassen.

Talsohle angeblich durchschritten

Dabei sieht der Konzern nach dem von Umstrukturierungen und Gewinneinbrüchen geprägten Jahr 2002 inzwischen die Talsohle hinter sich. In den ersten zwei Monaten stieg der Konzernumsatz weltweit um 4,4 Prozent, währungsbereinigt sogar um 16,8 Prozent. Außerdem erwartet der Konzern nach dem Einbruch im Jahr 2002 auch wieder eine Steigerung des operativen Ergebnisses im laufenden Geschäft. Um die Ertragskraft zu steigern, will Bayer allein in Deutschland in diesem Jahr mehr als 2.000 Arbeitsplätze abbauen. Weltweit sollen bis Ende 2005 rund 12.000 Stellen gestrichen werden.

Drastischer Rückgang des Betriebsergebnisses

2002 war für Bayer dagegen ein schwarzes Jahr - oder wie Wenning sagte "ein Jahr des Übergangs". Das operative Ergebnis vor Sonderposten brach im fortzuführenden Geschäft um 46 Prozent auf 989 Millionen Euro ein. Dies lag zum Teil daran, dass der Konzern Einmal-Aufwendungen für die Übernahme von Aventis CropScience in Höhe von rund einer halbe Milliarde Euro zu verkraften hatte, aber auch am Ausfall von Lipobay und erheblichen Gewinneinbußen im Chemiebereich. Nur dank dem Verkauf von Beteiligungen konnte sich dagegen der Konzerngewinn um 10 Prozent auf 1,1 Milliarde Euro erhöhen. Zugleich schrumpfte der Umsatz leicht um 1 Prozent auf 29 Milliarden Euro. Dies bewahrte die Bayer-Aktionäre zugleich vor einer abermaligen Kürzung der Dividende. Der Ausschüttungsbetrag soll mit 0,90 Euro unverändert auf Vorjahreshöhe liegen.

Erstmals Vorstandsbezüge offengelegt

Gleichzeitig mit der Vorlage des Geschäftsberichts hat Bayer erstmals die Gehälter der Spitzenmanager offen gelegt. Demnach verdiente Vorstandschef Werner Wenning mit gut 1,3 Millionen Euro mit Abstand die höchste Summe der Führungsriege. Mehr als die Hälfte seiner Bezüge entfiel auf eine erfolgsabhängige Komponente. Die Gehälter seiner Vorstandskollegen, die teilweise dem Gremium weniger als ein Jahr angehören, lagen zwischen knapp 600.000 und 900.000 Euro. Die Veröffentlichung ist Teil des Governance Code zur Schaffung von mehr Transparenz in der Unternehmensführung.

DPA