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Steuerhinterziehung Keine Belohnung für Denunzianten

Die Idee schien Gold wert: Eine Firma sammelt Informationen über mögliche Steuerhinterziehungen und gibt sie gegen Bezahlung an die Behörden weiter. Doch weder Staatsanwaltschaften noch das Finanzministerium sind interessiert an den vermeintlich millionenschweren Steuerflüchtlingen.
Von Manuela Pfohl

Es war schnell verdientes Geld: Knapp fünf Millionen Euro zahlte der Bundesnachrichtendienst (BND) für eine CD mit den Daten von einigen hundert mutmaßlichen Steuersündern, die ihr Schwarzgeld in Liechtenstein angelegt hatten, an Heinrich Kieber. Ausgestattet mit einer neuen Identität konnte der Ex-Angestellte der liechtensteinischen LGT-Bank untertauchen. Es heißt, es gehe ihm gut, er sei in Australien und genieße das Leben. "Als wir das hörten, dachten wir, wenn es so einfach ist, mit der Denunziation von Steuersündern Geld zu verdienen, dann müsste es doch einen regelrechten Sturm von Denunzianten auf Finanzämter, Staatsanwaltschaften und andere Behörden geben", berichtet Jörg Sprave. "Wir wollten wissen, was das für Leute sind und welche Geschichten dahinter stehen." Wir, das sind Jörg Sprave, sein Bruder Hartmut und Willi Mattutat, ein enger Freund. Quasi aus einem Jux heraus beschlossen die drei eine Firma zu gründen: "Vermittlung von Beweismaterialien bezüglich Steuerhinterziehungen". Am 10. März 2008 erteilt die Stadt Hagen die Gewerbeerlaubnis für die "Firma Steuerverrat". Eine Woche später geht die Seite www.steuerverrat.de online. Potenzielle Kunden können dort lesen, dass 85 Prozent der Summe, die "Steuerverrat" als Belohnung für die Informationen aushandelt, an den Informanten fließen.

Es geht um viele Millionen

Das Geschäftsmodell ist einfach: Jeder kann sich anonym an "Steuerverrat" wenden, seine Informationen werden zu einer "anonymen Fallbeschreibung" verarbeitet und dann an die zuständige Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Wenn die Behörden mehr wissen wollen, müssen sie zahlen - aber erst, wenn tatsächlich Anklage gegen den Steuerhinterzieher erhoben wird. Für falsche Informationen muss der Staat nicht bluten.

Die Dienste der "Fa. Steuerverrat" sind für den Informanten zunächst kostenlos, einzige Bezahlung ist ein etwaiges Erfolgshonorar in Höhe von 15 Prozent. Die Nachfrage ist enorm. Innerhalb kurzer Zeit gibt es 100.000 Zugriffe auf die Seite. 500 Mails kommen an. Im Büro der Firma steht das Telefon selten still. Ein Mann meldet sich und sagt, er habe da brisante Informationen über die jahrzehntelange Schwarzfahrtenpraxis eines Taxiunternehmers. Eine Frau will ihren Ex anschwärzen, der neue Freund ist scharf auf die Belohnung. Es geht um viele Millionen. Aus Hunderten von "Schnellmeldungen" kristallisieren sich am Ende sechs echte, schwergewichtige Fälle heraus. "Diese Fälle hätten wir auch bis zum Ende durchgezogen", betont Jörg Sprave, "aber unseren 15-prozentigen Anteil hätten wir gespendet".

Der BND hat keine Verwendung

Was keiner weiß: "In Wirklichkeit wollten wir nie Geld mit der ganzen Sache verdienen. Es ging uns von Anfang an darum, die gesammelten Informationen in einem Buch zu verarbeiten", sagt Sprave. Jetzt ist genug Material da. Die Firma hat ihren Geschäftsbetrieb eingestellt. Das Expose zum Buch ist geschrieben. Es muss sich nur noch ein Verlag finden, der sich für die Geschichte vom Denunziantentum in Deutschland und seinem Scheitern interessiert. Denn die eigentliche Überraschung für die Firma Steuerverrat war, dass es zwar jede Menge Leute gibt, die andere anschwärzen, dass aber weder bei den Strafverfolgungsbehörden noch bei den Steuerbehörden ein besonderes Interesse an belastendem Material zu möglichen Steuerhinterziehern besteht. Nicht mal der BND ist interessiert. "Dabei war das, was wir zu bieten hatten eigentlich spannend", meint Sprave. Ein Fall von Millionenhinterziehung und Geldwäsche, den ein Klient im Juni 2008 vorträgt, könnte aufgeklärt werden, es geht um neunstellige Beträge. "Wir können Zeugen benennen, die aussagen wollen, und auch alle Kontonummern." Doch auf eine entsprechende Mail antwortet der BND lediglich: "Nach Abschluss der internen Prüfung darf ich mitteilen, dass der Bundesnachrichtendienst für das angebotene Geschäftsmodell keine Verwendung hat."

Das bedeutete: Kein Millionenverdienst, keine neue Identität, kein sorgenfreier Lebensabend in Australien. "Da haben wir uns schon gefragt, warum man zwar mit dem verurteilten Datendieb Heinrich Kieber Geschäfte macht, aber nicht mit einer ordnungsgemäß angemeldeten deutschen Firma, und ob vielleicht in Wahrheit der BND auch im Fall "Zumwinkel" gar nicht wirklich der Drahtzieher war", sagt Sprave.

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Auch im Fall eines Einzelhändlers mit etlichen Filialen, der seit Jahren erhebliche Schwarzgeschäfte durchführt und Millionensummen an Schwarzgeld in Verstecken untergebracht haben soll, lässt sich für Spraves Firma keine erfolgreiche Geschäftsbeziehung anbahnen - obwohl der Informant alle Geldverstecke nennen kann und seine Informationen kostenlos glaubhaft machen würde. Stattdessen versucht die zuständige Staatsanwaltschaft in Duisburg Jörg Sprave mit der Androhung von Beugehaft zu einer Aussage zu bringen. Die Steuerberaterkammer stellt pauschal Strafanzeige unter anderem wegen "Geheimnisverrat", Rechtsanwälte versuchen mit Abmahnungen, der "Fa. Steuerverrat" das Handwerk zu legen.

Spraves Fazit ist so kurz wie vernichtend: "Deutsche Staatsanwälte wollen vor allem eines: Wenig arbeiten." Der scharfe Staatsanwalt, dessen höchster Ehrgeiz das Dingfestmachen von Straftätern ist, sei ein Mythos.

"Nur wenn es eindeutige Richtlinien seitens der Ministerien gäbe, die hohe Belohnungen für Denunzianten vorsehen und regeln würden, könnte eine "Fa. Steuerverrat" wirklich Geld verdienen", meint Sprave und erklärt: "Moralisch mag das begrüßenswert sein, aber trotzdem ist es enttäuschend, dass Deutschland eine Oase für Steuerhinterzieher ist - Mitwisser kann man nach wie vor mit einem Taschengeld zum Schweigen bringen. Denn Belohnungen gibt es nicht. Denunzianten sind dem Staat zwar hochwillkommen, aber bitteschön nur kostenlos."

Im Bundesfinanzministerium gibt es dazu eine klare Position. "Wir wollen hier weder einen Denunziantenstaat noch einen staatlich finanzierten Informationshandel", erklärt ein Sprecher und verweist darauf, dass es sich bei der Angelegenheit Kieber um einen "Ausnahmefall" gehandelt habe. Steuergerechtigkeit herzustellen und mögliche Fälle von Steuerhinterziehung zu ahnden, müsse Sache der zuständigen Behörden sein.

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