Reine Vorurteile, die aber ihre Wirkung nicht verfehlen. Studien zufolge leisten die Betroffenen bei Tests weniger, wenn sie vorher mit negativen Vorurteilen konfrontiert wurden. Der Bremer Sozialpsychologe Jens Förster geht noch weiter: Auch positive Stereotypen können Ärger bringen, und nachteilige haben ihr Gutes.
Welchen Einfluss haben Vorurteile auf die Leistung? Das untersucht Förster in einem auf sechs Jahre angelegten Projekt an der privaten International University Bremen. Seine Theorie: Menschen mit negativen Erwartungen an sich selbst schneiden unter Zeitdruck schlechter ab als andere, denn sie sind langsamer. Dafür arbeiten sie aber vorsichtiger und genauer.
Irritierte Blondinen machen weniger Fehler
Begonnen hat das Projekt 2003, einer der ersten Versuche drehte sich um das Vorurteil "dummes Blondchen". Dabei wurden 80 Bremer Studentinnen, 40 davon Blondinen, zu einem angeblichen Intelligenztest gebeten, der tatsächlich Schnelligkeit und Genauigkeit maß. Zuvor sollten die Frauen Witze lesen. Einige fanden in der Sammlung auch Blondinenwitze vom Schlag "Warum öffnet eine Blondine den Jogurt schon im Supermarkt? Weil darauf steht: Hier öffnen."
Das verunsichert, wie bei dem Test herauskam. Diejenigen Blondinen, die Witze über sich gelesen hatten, lösten jedenfalls weniger Aufgaben als die anderen blonden Probandinnen und die Brünetten, Schwarz- oder Rothaarigen. Allerdings machten die irritierten Blondinen auch weniger Fehler. Wer sich mehr zutraut, arbeitet demnach zwar schneller, aber auch nachlässiger.
Auch Kinder reagieren nach diesem Muster
Nicht nur Erwachsene reagieren nach diesem Muster, sondern schon Kinder, wie Förster inzwischen auch nachweisen konnte: Acht- bis Zwölfjährige wurden mit dem Vorurteil konfrontiert, Mädchen könnten schlechter rechnen als Jungs - siehe da, im Test schnitten die Mädchen prompt schlechter ab. Darum sagt Förster nun: "Jetzt wollen wir uns die wirklich relevanten Felder vornehmen - zum Beispiel die Schule."
Welche praktischen Konsequenzen Lehrer aus den Ergebnissen ziehen könnten, soll eines der Themen sein. Förster: "Wir wollen zum Beispiel den Zeitrahmen bei Tests lockern. Wie würde sich auswirken, den Kindern eine Stunde mehr Zeit einzuräumen oder ganz ohne Limit zu arbeiten?"
Vorurteile sind nur schwer zu verlernen
Auch will sich der Psychologe jetzt die Senioren als zahlenmäßig immer größere und bedeutsamere Gesellschaftsgruppe vornehmen. Der Ansatz: Laut US-Studien können alte Menschen sich noch weniger merken, wenn sie mit dem Vorurteil konfrontiert werden, bei Senioren lasse das Gedächtnis nach. "Eine Frage ist nun, ob sich die Gedächtnisleistung nicht mit einfachen Mitteln steigern ließe", sagt Förster.
Zwar sind Vorurteile Experten zufolge hartnäckig und nur schwer zu verlernen. Doch lassen sich möglicherweise Schneisen schlagen. "Vielleicht muss man Mädchen nur klar machen, dass sie schlechter rechnen, weil das Vorurteil wirkt", überlegt Förster, der sich auch vorstellen kann, Immunisierungstrainings zu entwickeln. "Wenn sie trotzig werden und sich sagen: 'Jetzt erst recht', hilft das unter Umständen schon."
Imke Zimmermann, AP