In der rund 200-jährigen Geschichte des Bankhauses Rothschild beginnt eine neue Ära. Evelyn de Rothschild gibt im Alter von 71 Jahren nicht nur die Führung des Londoner Zweigs NM Rothschild & Sons an seinen Cousin David (60) ab, der bislang bereits die französische Bank Rothschild & Cie. leitete. Die Finanzhäuser der geschichtsträchtigen Familie in Großbritannien und Frankreich werden vereinigt und für eine bessere Kooperation nach eigenen Angaben in der eigens dafür in den Niederlanden gegründeten Dachgesellschaft Concordia BV zusammengefasst.
Neue Dachgesellschaft
Den beiden Zweigen wird davon je die Hälfte gehören. Chef der Holding mit Niederlassungen in 30 Ländern wird ebenfalls Baron David de Rothschild sein. "Wenn Sie einen Tisch mit vier Beinen haben, dann ist der stabiler als einer mit nur zweien", sagt er zu dem Zusammenschluss. Der Buchwert des Gemeinschaftsunternehmens wird auf 412 Millionen Pfund (600 Millionen Euro) geschätzt.
Immer noch Familienunternehmen
Auch wenn die Rothschilds im globalen Maßstab schon lange nicht mehr zu den ganz großen Bankhäusern gehören, haben sie doch als eines der wenigen Familienunternehmen in der Finanzwelt überlebt. Mit der Neuorganisation wollen sich die Rothschilds weiter erfolgreich gegen die Konkurrenz von der New Yorker Wall Street stemmen.
"Wir müssen nicht groß sein"
"Wir leben nicht zuletzt von unseren Ideen und auch von unserem Namen. Da müssen wir nicht groß sein. Als Investmentbank begleiten wir Privatisierungen und Firmenfusionen. Wir beraten Regierungen, wir sind unabhängig", hatte Sir Evelyn einmal dem "Stern" zu seiner Unternehmensphilosophie gesagt. In der "Welt der großen Jungs" käme man ganz gut zurecht. Das stellte auch sein jetziger Nachfolger Baron David unter Beweis, als er nach der Verstaatlichung der französischen Rothschild-Bank zu Beginn der 80er Jahre nicht aufgab, sondern die Familientradition mit dem Aufbau der Rothschild & Cie. Banque weiterführte.
Wurzeln liegen in Frankfurt
Der Ursprung der Familien-Dynastie liegt in Frankfurt am Main, wo der Münzhändler Mayer Amschel Rothschild im späten 18. Jahrhundert in das Kreditgeschäft einstieg. Er schickte vier seiner fünf Söhne nach London, Paris, Wien und Neapel. Sie alle schufen gemeinsam das erste multinationale Unternehmen der Finanzgeschichte, die weltweit bedeutendste Bank des 19. Jahrhunderts. Die Familie wurde zu einer der reichsten ihrer Zeit. Rothschild war der einflussreichste Finanzier europäischer Höfe.
Immer wieder enteignet
Das deutsche Rothschild-Stammhaus wurde 1901 mit der Erlöschen der männlichen Linie geschlossen. Während der Nazizeit entkamen viele Mitglieder der jüdischen Familie der Verfolgung durch Emigration, einige starben jedoch in Konzentrationslagern, Rothschild-Besitzungen in Europa wurden geplündert, das Bankhaus in Wien geschlossen. Erst seit 1989 gibt es wieder eine Rothschild-Bank in Frankfurt - als Zweigstelle der Häuser in London und Paris.