"Das ist schon alles sehr phänomenal", sagt der Berliner Gerhard Heß beim Blick auf die trübe Spree. Ein vollbesetzter Ausflugsdampfer schippert an diesem sonnigen Tag hinter dem anderen her und auch Heß wäre gern auf dem Hauptstadtfluss unterwegs - mit einem Wassertaxi. Diese Idee trägt er schon lange mit sich herum.
Vor sechs Jahren stieg er auf seinem täglichen Arbeitsweg am Bahnhof Friedrichstraße aus der S-Bahn, überquerte den Fluss und stellte sich vor, wie dort gelbe Wassertaxen hin- und herflitzen. Doch zu dem, was aus seiner Idee wurde, fällt dem 50-Jährigen nur ein Wort ein: "phänomenal".
"Boot nehmen, losfahren"
"Ich dachte am Anfang, dass ich mir ein Boot nehme und einfach losfahre", sagt Heß und lächelt. Wie sich herausstellte, hatte er sich das zu einfach gedacht - für die Behörden zumindest. Seine ersten Anträge nahmen einen langen Weg vom Wasser- und Schifffahrtsamt der Stadt über die zuständige Senatsverwaltung zur Wasser- und Schifffahrtsdirektion in Magdeburg bis hin zum Bundes-Verkehrsministerium.
Denn die Spree ist eine Bundes-Wasserstraße und Taxen waren darauf damals nicht vorgesehen. Man erklärte Heß, dass ein Wassertaxi kein Charterboot sei, sondern ein Personenschiff. Der kleine Unterschied: für die Personenbeförderung reiche ein Mann, also der Kapitän, nicht aus. Ein zweiter Decksmann müsse her, um die Sicherheit der Passagiere beim Ein- Und Aussteigen zu gewährleisten.
Charterboot darf alleine gefahren werden
Gerhard Heß schmunzelt, wenn er das erzählt. Denn das leuchtend gelbe Wassertaxi, das er sich vor knapp vier Jahren für 25.000 Euro zulegte, darf er als Charterboot alleine betreiben, ohne zusätzlichen Decksmann. "Den Unterschied konnte mir bis heute niemand erklären", sagt Heß. Für große Ausflugsdampfer kann er die Sicherheitsbedenken zwar verstehen, nicht aber für sein kleines, knapp sechs Meter langes Boot, das maximal zehn Fahrgäste aufnimmt. Ohnehin fährt das nur mit gemächlichen acht Stundenkilometern über die Spree. "Wenn jemand ins Wasser fällt, drehe ich um und fische ihn raus", sagt Heß. Einem großen Ausflugsschiff sei das auf dem engen Fluss gar nicht möglich.
Hauptsächlich aber macht die Anforderung eines weiteren Besatzungsmitglieds den Wassertaxi-Betrieb unrentabel. Gut fünf Euro soll eine Fahrt auf der Spree kosten, für rund 20 Minuten. Um die Kosten für einen Decksmann einzufahren, müsste Heß auf eine maximale Auslastung des Bootes setzen. Doch genau das wolle er nicht, sagt er. Er wolle mit seinem "SpreeCab" nicht warten, bis das Boot voll sei, sondern auch einzelne, spontan einsteigende Gäste befördern - wie ein Taxi eben.
Warten auf die Ausnahmegenehmigung
Heß versucht das über Jahre den verschiedenen Behörden zu erklären und eine Ausnahmegenehmigung zu bekommen - vergeblich. Auf einer Bundes-Wasserstraße bleibt zunächst unmöglich, was in Sydney, Amsterdam, Venedig oder Basel funktioniert. Allerdings: auch die deutsche Bürokratie kann sich bewegen. Vor knapp zwei Jahren endlich tauchten Wassertaxen im Gesetz auf, allerdings sollten die Details ihres Betriebs in einer weiteren Richtlinie genau geregelt werden. Und die ließ so lange auf sich warten, dass im Herbst vergangenen Jahres Gerhard Heß sogar die große Bundespolitik in Wallungen brachte.
Auf einen Antrag der FDP hin befürworteten mehrere Ausschüsse des Bundestages, endlich Ausnahmen für Wassertaxen zu schaffen. Die gibt es nun seit April dieses Jahres und die Richtlinie regelt so schöne Dinge wie die Sitzbreite für die Passagiere, die Bruchfestigkeit der Ankerkette und die Kennzeichnung des Taxis mit einem mindestens 30 Zentimeter hohen Schriftzug "mit heller Farbe auf dunklem Grund oder mit dunkler Farbe auf hellem Grund". Doch viel wichtiger als die Gesetzeslyrik ist die Möglichkeit, endlich auf einen Decksmann verzichten zu können, wenn das Boot vom Kapitän alleine festgemacht werden kann.
Letztlich ist das ein Erfolg für Gerhard Heß, auch wenn er in diesem Jahr seinen Taxibetrieb kaum mehr starten können wird. Zwar hat er sich bereits dem Widerstand der alteingesessenen Ausflugsdampfer-Reedereien erwehrt, doch seine Anlegestellen an der Spree - jeweils in dreifacher Ausführung beantragt - sind noch nicht genehmigt.
So kurz vor dem Ziel wird Heß nun aber nicht mehr aufgeben. Dafür hat der Wassersportfan sich schon zu viele Träume verwirklicht: An der Havel hat er eine Windsurf-Schule betrieben, im schleswig-holsteinischen Friedrichskoog eine dreijährige Bootsbauer-Lehre gemacht und ein eigenes Segelschiff gezimmert. Friedrichskoog liegt im hohen Norden, in der Nähe von Kiel, und mit der gemeinsam mit einem Freund gegründeten "SpreeCab"-GmbH könnte sich Heß sogar vorstellen, irgendwann einmal auch in Kiel ein Wassertaxi-Unternehmen zu starten.
Mögliche Standorte: Rostock, Frankfurt, Koblenz
In seiner Werbebroschüre ist Kiel neben Rostock, Frankfurt am Main oder Koblenz bereits als möglicher Standort aufgeführt, allerdings erst nach Berlin. Für die Hauptstadt hat Heß eine klare Vorstellung: "Ich will das erste Wassertaxi Deutschlands fahren."
Das könnte sogar gelingen, denn in Hamburg genehmigen die Behörden einem Unternehmen Taxen auf der Elbe bisher wegen Sicherheitsbedenken bei den Booten nicht. Und in Düsseldorf schickt eine Reederei zwar zwei gelbe Katamarane auf den Rhein. Doch diese so genannten Taxen profitieren nicht von der neuen Richtlinie - sie schippern als Charterboote über den Fluss.