Börsen beflügelt EZB senkt überraschend Leitzins

Paukenschlag zum Amtsantritt: Die EZB hat in ihrer ersten Sitzung unter dem neuen Präsidenten Mario Draghi unerwartet den Leitzins gesenkt. Die Börsen reagierten auf die Nachricht mit kräftigen Kurssprüngen nach oben.

Der frischgebackene EZB-Präsident Mario Draghi ist mit einem Paukenschlag ins neue Amt gestartet: Gleich in der ersten Sitzung unter der Führung des Italieners senkte die Europäische Zentralbank überraschend die Zinsen. Der Leitzins im Euroraum werde von 1,5 auf 1,25 Prozent verringert, teilte die Notenbank in Frankfurt mit. Draghi hatte erst am Dienstag den Franzosen Jean-Claude Trichet an der Spitze der EZB abgelöst.

Europas Börsen reagierten auf die Zinssenkung mit einem steilen Sprung nach oben. Der Deutsche Aktienindex (Dax) kletterte unmittelbar nach der Mitteilung um 3,17 Prozent auf zwischenzeitlich 6154 Punkte. An der Pariser Börse legte der Leitindex CAC-40 um mehr als drei Prozent zu. Der Leitindex am Handelsplatz in Mailand, MIB, kletterte sogar um mehr als vier Prozent.

Inflation bereits weit über dem Zielwert

Die meisten Ökonomen hatten trotz der drohenden Rezession und der Staatsschuldenkrise zunächst keine Zinssenkung erwartet. Niedrige Zinsen verbilligen Kredite zwar und können Investitionen und Konsum ankurbeln. Doch billiges Geld heizt auch die Inflation an - und die lag im Euroraum zuletzt bei 3,0 Prozent und damit weit über dem Zielwert der Währungshüter von knapp unter 2,0 Prozent.

Die hohe Teuerung sprach nach Ansicht der meisten Volkswirte dafür, den wichtigsten Zins zur Versorgung der Geschäftsbanken in der Eurozone mit Zentralbankgeld nicht zu senken. Die EZB hatte sich in diesem Jahr allmählich von ihrer Krisenpolitik des extrem billigen Geldes verabschiedet und den Leitzins in zwei Schritten von 1,0 auf 1,5 Prozent erhöht.

Notenbank steht für unsolide Regierungspolitik gerade

Offen ist, ob die Notenbank weiterhin Milliarden in Staatsanleihen kriselnder Eurostaaten stecken wird. Draghis Vorgänger Trichet war für diesen Tabubruch massiv kritisiert worden. Denn die Notenbank steht mit dem Milliardenprogramm letztlich für unsolide Politik von Regierungen gerade. Nach Einschätzung von Volkswirten ist die Notenbank als Feuerwehr weiterhin unverzichtbar. Künftig könnte aber auch der Euro-Rettungsfonds EFSF Anleihen von Krisenländern kaufen.

Am Abend will Draghi zum G20-Gipfel nach Cannes reisen, um sich in die Beratungen der Staats- und Regierungschefs über die wieder aufgeflammte Griechenland-Krise einzuschalten.

DPA
mad/DPA/AFP