Elizabeth Holmes und ihre Bluttest-Firma Theranos stehen für den spektakulärsten Silicon-Valley-Skandal der vergangenen Jahre. Mit dem Versprechen einer vermeintlich revolutionären Bluttest-Methode hatte das Start-up bis 2015 Hunderte Millionen Dollar an Investorengeld eingesammelt und eine Milliarden-Dollar-Bewertung erreicht. Doch als bekannt wurde, dass das Verfahren weit weniger gut funktioniert als behauptet, brach die Firma komplett zusammen. Seitdem gilt Theranos als gigantischer Bluff.
Nun startet vor einem Bundesgericht im kalifornischen San José der Betrugsprozess gegen die einst als Wunderkind gefeierte Gründerin Elizabeth Holmes – und auch der verspricht spektakulär zu werden. An diesem Dienstag beginnt zunächst die Auswahl der Geschworenen, die darüber befinden sollen, ob die heute 37-Jährige Investoren und Kunden in großem Stil betrogen hat. Eine Verurteilung könnte eine Haftstrafe von bis zu 20 Jahren nach sich ziehen.
Missbrauchsvorwürfe gegen Ex-Partner
Um dies abzuwenden, setzt Holmes offenbar auf eine überraschende Verteidigungsstrategie. Wie das "Wall Street Journal" berichtet, will Holmes vor Gericht ausführlich die Beziehung zu Ramesh Balwani thematisieren, ihren früheren Chief Operating Officer bei Theranos und zugleich Ex-Liebhaber. Dieser soll Holmes psychisch, emotional und sexuell missbraucht haben, geht aus den bei Gericht eingereichten Dokumenten hervor, die das Journal zitiert. So soll Balwani kontrolliert haben, was Holmes aß, wann sie schlief und was sie anzog. Er soll scharfe Gegenstände auf sie geworfen haben und ihre Textnachrichten und Emails überwacht haben.
Balwani, dessen eigener Prozess kommendes Jahr beginnen soll, streitet die Vorwürfe ab. Doch Holmes will offenbar ihre Verteidigungsstrategie darauf aufbauen, schreibt das Journal. Die angeblich toxische Beziehung soll ihre geistige Gesundheit und ihr Urteilsvermögen beeinträchtigt haben. So soll Holmes unter dem Einfluss Balwanis viele der Dinge selbst geglaubt haben, die sie über ihr Unternehmen erzählte und die sich später als falsch herausstellten. Vor Gericht will sie nun offenbar auch nachweisen, dass sie wegen der Beziehung unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet.
Prozess wegen Schwangerschaft verschoben
Elizabeth Holmes hatte Theranos im Jahr 2003 im kalifornischen Palo Alto gegründet. Die Biotechfirma elektrisierte Investoren mit dem Versprechen, einen Apparat entwickelt zu haben, der mit nur wenigen Tropfen Blut umfangreiche medizinische Analysen ermöglichte. Holmes, die bevorzugt im schwarzen Rollkragenpullover auftrat, wurde als Selfmade-Milliardärin gefeiert, ihr Vermögen zeitweise auf 3,5 Milliarden Dollar taxiert.
Doch nach investigativen Recherchen des Wall Street Journal mehrten sich ab 2015 die Zweifel an der Wirksamkeit der Methode der geheimnisvollen Firma. Die Behörden ermittelten, 2018 wurde Anklage erhoben. Dass der Prozess nicht früher starten konnte, lag zunächst an der Corona-Pandemie. Schließlich musste der Prozess noch einmal um einige Wochen verschoben werden, weil Holmes schwanger war. Sie hat im Juli einen Sohn zur Welt gebracht.