Herr Rousseau, im November 2020 haben wir uns über den Überlebenskampf Ihres Restaurants im Lockdown unterhalten (lesen Sie den Artikel hier). Durchhalten, war da die Devise. Hätten Sie damals gedacht, dass wir ein Jahr später wieder mitten in einer Corona-Welle sitzen?
Ich habe das ehrlich gesagt schon für möglich gehalten. Wenn ich in der Corona-Krise eines gelernt habe, dann dies: Sicher ist nur, dass gar nichts sicher ist. Es ist leider schon mehrfach anders gekommen als gehofft und auch anders als von der Politik versprochen.
Immerhin gibt es Ihr Restaurant "Tagliere e vino" noch. Wie ist derzeit die Lage? Normalerweise wäre jetzt die Zeit der Weihnachtsessen und gemütlichen Umtrunke.
Da muss ich ehrlicherweise zugeben: Im Vergleich zu anderen Gastronomen geht es uns im Moment sehr gut. Die Gäste sind da. Am vergangenen Wochenende war der Laden voll, die Umsätze waren gut. Da kann ich gar nicht klagen.
Trotz der derzeitigen Pandemiesituation trauen sich die Leute in den Laden?
Ja, das liegt auch an unserer Klientel hier in der Hamburger Innenstadt. Zu uns kommen viele Gäste mit hohem Bildungsstand, was, denke ich, in einer hohen Impfquote resultiert. Die Umstellung auf 2G hat uns daher gar nicht getroffen. Was wir spüren, ist die Homeoffice-Pflicht, da bricht das Mittagsgeschäft weg, weil die umliegenden Büros leer sind. Aber abends läuft es gut: Ich glaube, viele Leute haben Angst vor einem neuen Lockdown und wollen nochmal raus.
Wie haben Sie das Jahr finanziell überstanden? Sie konnten monatelang nur außer Haus verkaufen. Trotzdem sind Sie bei den Hilfen der Bundesregierung zu Beginn des zweiten großen Lockdowns vor einem Jahr zunächst leer ausgegangen.
Wir haben die November- und Dezemberhilfen 2020 tatsächlich nicht bekommen, weil wir als junges Unternehmen bei der Berechnungsmethode durch's Raster gefallen sind. Zum Glück haben wir ab Januar dann die Überbrückungshilfe III bekommen. Das hat uns über den Winter gerettet. Insgesamt habe ich bis Mai etwa 95.000 Euro an Hilfe vom Staat bekommen, gegen die natürlich Ausgaben in gleicher Höhe stehen. Bis heute weiß ich allerdings nicht, ob ich etwas davon zurückzahlen muss und wenn ja wieviel. Die Schlussabrechnung für die Überbrückungshilfe können Unternehmen nämlich noch nicht machen. Mein Steuerberater springt im Dreieck. Ich bin jedenfalls sehr froh, dass ich aus dieser ganzen staatlichen Hilfszahlungsmaschinerie raus bin.
Es hätte also alles schlimmer kommen können?
Die Zeit, in der wir nur Essen außer Haus anbieten konnten, war sehr hart. Aber am Ende haben wir mit dem Restaurant in diesem Jahr noch einen Gewinn erwirtschaftet. Das lag vor allem an den starken Sommermonaten, die liefen für uns sehr gut. Dadurch konnten wir ein finanzielles Polster aufbauen, das wappnet uns für ein paar schlechte Umsatzmonate oder sogar einen möglichen weiteren Lockdown. Wir haben zwei Lockdowns überstanden, zur Not überstehen wir auch noch einen dritten.
Das können längst nicht alle Gastronomen sagen.
Ja, viele Gastronomen sind am Kämpfen. Viele haben ihre Rücklagen aufgebraucht, viele haben auch keine Energie mehr. Ich kenne auch persönlich Leute, die dicht machen mussten, wobei das häufig auch Betriebe sind, die schon vor der Krise angeschlagen waren oder deren Konzept einfach nicht mehr zeitgemäß ist. Manche haben auch wenig staatliche Hilfe bekommen, weil bei ihnen immer viel schwarz abgelaufen ist, und sie deshalb keine vernünftigen offiziellen Zahlen vorweisen konnten. Da wurden auch einige schwarze Schafe ausgesiebt, die nicht korrekt gewirtschaftet haben, was die Branche langfristig stärken wird.

Als die Restaurants nach dem Lockdown in diesem Jahr wieder öffnen durften, fehlte plötzlich überall Personal, weil viele sich umorientiert haben. Wie war das bei Ihnen?
Da wir während des Lockdowns das Kurzarbeitergehalt stets auf 100 Prozent aufgestockt haben, hatten wir das Team noch zusammen und konnten im Frühjahr direkt wieder voll durchstarten. Mittlerweile haben wir 21 Mitarbeiter und das Team ist so gut wie nie. Mein Highlight war eine meiner Servicekräfte, die in der Corona-Zeit eigentlich die Branche wechseln wollte. Sie hat sich dann doch für eine Weiterbildung entschieden und ist bei mir jetzt zur Betriebsleiterin aufgestiegen. Die schmeißt jetzt den Laden und geht darin auf, ich bin außerordentlich stolz auf sie.
Überwiegt für Sie am Ende dieses zweiten Corona-Jahres tatsächlich das Positive?
Wirtschaftlich hat mich Corona schon hart getroffen, weil uns zeitweise sehr viel Umsatz entgangen ist. Andererseits haben sich Chancen ergeben, neue Wege zu gehen. Wir werden zum Beispiel zum neuen Jahr bei uns das Bargeld abschaffen und nur noch Kartenzahlung akzeptieren und auch die Speisekarten aus Papier verbannen und nur noch digital anbieten. Das ist hygienischer und nachhaltiger. Manche Dinge kann man jetzt umsetzen, weil ein Bewusstsein dafür entstanden ist. Insofern ist Corona auch ein Innovationsmotor und es gilt, die Chancen, die sich bieten, zu nutzen.