Die EU steht unter Druck: Der Weinverbrauch der Europäer sinkt, zwischen 1984 und 2003 um ganze elf Prozent. Gleichzeitig nimmt die Nachfrage nach Weinen aus Übersee zu. Überraschend haben die EU-Länder deshalb kürzlich beim Treffen der Agrarminister in Brüssel mehrheitlich festgestellt, dass eine Reform notwendig ist. Doch die Reformpläne haben für viele einen bitteren Beigeschmack. "Das ist ein sehr emotional beladenes Thema", sagt Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel.
Prämie für Rodung der Weinberge
Besonders strittig ist die geplante Rodung von 400.000 Hektar der insgesamt 3,4 Millionen Hektar Weinberge, um zu verhindern, dass überschüssiger Wein für EU-Millionen entsorgt oder destilliert wird. Dagegen sträuben sich die Mittelmeerländer - sie produzieren die meisten Überschüsse. Doch für das Roden soll es eine Prämie geben - insgesamt 2,4 Milliarden Euro sollen innerhalb von fünf Jahren fließen. "Das ist finanziell attraktiv", sagt Fischer Boel.
Die Bundesregierung sorgt sich darüber, dass es künftig erlaubt sein soll, Wein beliebig zu verschneiden oder Eichenholzchips statt des teureren Lagerns im Fass zu verwenden. Auch die Nutzung von Zuckerzusatz soll wegfallen - das schmeckt der Bundesregierung ebenfalls nicht. Schließlich sei Saccharose geschmacksneutral, aber konzentrierter Traubenmost nicht, der weiter erlaubt ist, kritisiert Berlin. Immerhin wollen auch die übrigen EU-Staaten, dass traditionelle Weinverfahren beibehalten werden.
Fruchtiger Wein ist "in"
Die Verbraucher mögen nach Angaben aus Brüssel zunehmend fruchtige Weine mit niedrigem Alkoholgehalt. In einigen EU-Ländern gibt es bereits Versuche zur Senkung des Alkoholgehalts von Weinen. Die EU-Kommission will befristet auf drei Jahre die experimentelle Nutzung bisher nicht zugelassener neuer Weinherstellungsverfahren ermöglichen - dann könnten europäische Erzeuger im weltweiten Wettbewerb möglicherweise besser mithalten. Obwohl die EU Exportweltmeister ist, haben Südafrika, Australien, Chile und die USA innerhalb weniger Jahre deutlich aufgeholt - Südafrika um 770 Prozent, die USA um 160 Prozent von 1991/93 bis 2001/03.
Die Methoden der Weinbereitung in den USA und Deutschland sind sehr unterschiedlich: Winzern in den USA sind Wasserzusätze ebenso erlaubt wie die "Fraktionierung" des Weins. Damit können die Bestandteile über ein Schleuderverfahren getrennt werden, um sie beliebig mit Aromazusätzen wieder zusammenmischen zu können. Nach dem Weinabkommen zwischen der EU und den USA können europäische Verbraucher auch "Kunstweine" aus Amerika kaufen. Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU) warnte vor einigen Monaten vor "Ramschwein" in Europa. Das kam auf der anderen Seite des Atlantiks wohl nicht so gut an: "Wir sind von den USA ermahnt worden, das ein wenig freundlicher zu benennen", heißt es aus der Bundesregierung.