Hauptversammlung Quo vadis Karstadt?

Die Machtübernahme durch die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz sorgt für Irritationen bei den Karstadt-Aktionären. Konzernchef Thomas Middelhoff versucht zu beruhigen - doch Spekulationen über die Zerschlagung des Konzerns gehen weiter.

Rund sechs Minuten hat KarstadtQuelle-Chef Thomas Middelhoff auf der Hauptversammlung des angeschlagenen Handelsriesens zu den Aktionären gesprochen, da lässt er die Bombe platzen. Europas größter Warenhaus- und Versandhandelskonzern hat einen neuen Mehrheitsaktionär. Seit Freitag hält der Aktienpool um die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz 50,0015 Prozent am Essener Traditionskonzern.

Unruhe bei den Beschäftigten

Seit Wochen war bekannt, dass die Millionenerbin Aktienpakete des Essener Traditionskonzerns aufkaufte. Die Frage, was sie damit bezweckt, sorgt seitdem für Unruhe bei den 90.000 Beschäftigen des Unternehmens und bei den anderen Aktionären.

Nutzt Schickedanz nur den niedrigen Kurs der Karstadt-Aktie, weil sie Vertrauen in die Zukunft des Traditionskonzerns hat? Oder zielt sie auf etwas ganz anderes: die Zerschlagung des Konzerns in seine Einzelteile und deren lukrativen Verkauf? Allein der Wert der Karstadt-Immobilien in den besten Innenstadtlagen wird schließlich auf mehrere Milliarden Euro geschätzt.

KarstadtQuelle-Chef Middelhoff ist ein Vertrauter von Madeleine Schickedanz. Sie hatte ihn vor zwei Jahren angesprochen und als Aufsichtsrat gewonnen. Sie überredete ihn angeblich vor zwei Wochen den Vorstandsvorsitz zu übernehmen. Auf der Hauptversammlung bemüht er sich nun die größten Befürchtungen zu zerstreuen.

Zerschlagung mache keinen Sinn

Eine Zerschlagung des Konzerns in seine Einzelteile wie Warenhäuser, Versandhandel und Immobilien mache "schlicht keinen Sinn", sagt Middelhoff vor den Aktionären. Das Warenhausgeschäft sei mitten in der Sanierungsphase nur mit großen Abschlägen zu verkaufen. Auch Gerüchte über einen Verkauf der Karstadt-Immobilien zeugten eher von "munterer Fabulierkunst" als von solider Sachkenntnis. Denn die Häuser dienten als Sicherheit für die Milliardenkredite des Konzerns. Und ohne den Mieter Karstadt seien sie auch nicht viel wert.

Bei der Karstadt-Beteiligung an Europas zweitgrößtem Reiseveranstalter, Thomas Cook, verbietet sich nach den Worten des Managers ein Verkauf gerade jetzt, wo der Sanierungskurs erkennbar greife und eine Rückkehr in die schwarzen Zahlen in Sichtweite komme.

Middelhoff wertet das Engagement von Schickedanz deshalb als "Beweis ihres Vertrauens in das Unternehmen". Doch muss er auf hartnäckiges Nachfragen von Aktionären nach den weiteren Plänen von Frau Schickedanz einräumen: "So wichtig die Frage ist, wir können sie nicht beantworten." Karstadt-Aufsichtsratsmitglied Leo Herl, der es als Ehemann von Madeleine Schickedanz und Chef der Schickedanz-Vermögensverwaltung wohl könnte, schweigt auf der Hauptversammlung.

So werden die Mutmaßungen über eine Zerschlagung wohl allen Dementis zum Trotz weitergehen. Tatsächlich bietet sich der Konzern nach der Beschreibung von Middelhoff für eine Filetierung geradezu an. Denn der Manager muss einräumen: "Es ist wahr, dass die Fusion von Karstadt mit der Quelle im Jahr 1999 bis heute nicht vollzogen ist. Man lebt für sich, zwischen Essen und Fürth lagen und liegen noch immer manchmal Welten." Die Konzernbereiche Warenhaus und Versandhandel lebten nebeneinander her. De facto gebe es keine Synergien. Mit anderen Worten: eine Zerschlagung wäre ein Kinderspiel.

Richtige Richtung, aber nicht ausreichend

Ohnehin sind mit dem neuen Mehrheitsaktionär die Probleme des Konzerns in keiner Weise gelöst. Dramatische Umsatzeinbrüche vor allem im Versandhandel bedrohen nach wie vor die Existenz des Unternehmens. "Was wir bisher angepackt haben, zeigt in die richtige Richtung. Es ist aber bei weitem nicht ausreichend", sagt der Manager. "Trotz aller Anstrengungen ist KarstadtQuelle noch nicht über den Berg." So stellt sich heute mehr denn je die Frage: Quo vadis, Karstadt?

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Erich Reimann/AP