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Hungersnöte Radikale Reformen auf dem Acker

Weg von den Monokulturen, von gentechnisch veränderten Pflanzen, von der fatalen Biosprit-Produktion - so lauten die Forderungen des Weltagrarrats IAASTD. Über 50 Staaten haben diese Forderung bereits unterschrieben - Deutschland allerdings gehört nicht dazu.

Ein dauerhafter Ausweg aus der Ernährungskrise ist nach Einschätzung des Weltlandwirtschaftsrates (IAASTD) nur durch eine radikale Umstellung der globalen Agrarproduktion zu erreichen. Die Produktivitätssteigerung durch technologische Fortschritte ist an ihre Grenzen gestoßen und die Kosten für die Umwelt und die Entwicklungsländer werden zu hoch: Zu diesem Ergebnis kam das Gremium aus rund 400 Experten und Regierungsvertretern, dessen erster Bericht bei der Unesco in Paris vorgestellt wurde. "Business as usual ist keine Option mehr", heißt es in dem Dokument, das von 54 Staaten unterzeichnet wurde. Das derzeitige System helfe den Bedürftigen nicht und mache einen "Paradigmenwechsel" notwendig: Die Umstellung auf eine "multifunktionale" Landwirtschaft, die den Erhalt und die Erneuerung der natürlichen Ressourcen wie Wasser, Böden, Wälder und Artenvielfalt in den Mittelpunkt rücke.

Widerstand aus USA

"Die ärmsten Entwicklungsländer sind die Verlierer weiterer Handelsliberalisierungen", erklärte IAASTD-Direktor Robert Watson. Insbesondere ohne einen Subventionsabbau zahlreicher OECD-Staaten hätten viele arme Länder "eine sehr harte Zeit vor sich", sagte der deutsche Co-Autor Hans Herren. Widerstand gegen die Schlussfolgerungen kamen besonders aus den USA und China, die das Dokument nicht unterzeichneten. Vertreter der Industrie waren an den dreijährigen Beratungen beteiligt, stiegen aber aus Protest gegen die Kritik an der Biotechnologie aus. Die Bundesrepublik ist in das 2002 auf dem Entwicklungsgipfel in Johannesburg eingesetzte und von den UN und der EU geförderte Gremium nicht eingebunden - und hatte Mühe zu erklären, warum Deutschland nicht zu den Unterzeichnern zählt.

Der industrielle Intensivanbau in Monokulturen und mit gentechnisch veränderten Pflanzen habe zwar die Produktion in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gesteigert, schreiben die Experten weiter. "Aber einfache Bauern, Arbeiter, ländliche Gemeinden und die Umwelt müssen den Preis bezahlen." So seien große Teil West- und Zentralasiens sowie Afrikas bereits von Wasserknappheit bedroht. In der geforderten Agrarrevolution müssten die lokalen Produzenten als "Manager ihrer Ökosysteme" in den Mittelpunkt rücken und für ihre Arbeit belohnt werden.

Warnung vor Biotreibstoff und Gentechnik

Die Produktion von Biotreibstoff birgt für den IAASTD eine große Gefahr. "Die Nahrungsmittelpreise können dadurch weiter steigen und die Chancen, den Hunger auf der Welt zu vermindern, werden reduziert." Zudem gebe es negative Effekte für die Umwelt. Der Rat warnt auch vor den Gefahren der Biotechnologie - etwa in Form genmanipulierter Pflanzen - für die Entwicklungsländer. Dadurch würden lokale Anbaupraktiken, die die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung und die Wirtschaft sicherten, unterwandert. Heimische Pflanzen drohten zu verschwinden. Zudem werfen die Experten den Konzernen "einen signifikanten Mangel an transparenter Kommunikation" vor. Eine wirkliche Bewertung von Gefahren und Vorteilen sei deswegen nicht möglich. China und die USA haben vor allem gegen diesen Teil des Berichtes Vorbehalte. "Dennoch wird unsere Botschaft die Einstellung zur Landwirtschaft verändern und hoffentlich einen Paradigmenwechsel einleiten", sagte Fabrice Dreyfus, einer der führenden Autoren der Studie.

Die Europäische Union hat nach Ansicht der Forscher schon einen Schritt in die richtige Richtung getan. Mit einer Agrarreform hatten die Europäer im Jahr 2003 beschlossen, den Landwirten - bis auf wenige Ausnahmen - keine direkt an die Produktionsmenge gekoppelten Fördermittel mehr zu zahlen. Stattdessen haben die Bauern heute Umweltauflagen einzuhalten und sich um Tierschutz und Landschaftspflege zu kümmern. Sie erhalten für stillgelegte oder weniger intensiv bewirtschaftete Flächen Geld. Die Anreize für den Umweltschutz müssten nun noch verstärkt werden, forderte Co-Autorin Marianne Lefort vom Pariser Institut für Biowissenschaften AgroParisTech.

AP/DPA AP DPA

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