Der enorme Druck der vergangenen Tage lässt sich nur an den kleinen Gesten erkennen. 16 Stunden nachdem Klaus Kleinfeld seinen Rücktritt angekündigt hat, tritt der Siemens- Vorstandsvorsitzende vor die Kameras. Zwar wirkt der so jugendlich gestartete 49-Jährige leicht ergraut und lächelt mit Ringen unter den Augen in die Kamera. Aber Kleinfeld gibt sich gut gelaunt. "Ich hoffe, Sie hatten auch Zeit, unsere guten Zahlen anzugucken", ruft er in die Runde. Nur die Hände presst er dabei ganz fest gegeneinander, bis sie weiß werden. In den vergangenen Tagen hatte bei Deutschlands größtem Elektrokonzern ein Machtkampf getobt, der alle Beteiligten Kraft gekostet hat.
Der Siemens-Chefposten sei der schönste Job, den es in der deutschen Wirtschaft gibt, hatte ihm Vorgänger Heinrich von Pierer Anfang 2005 mit auf den Weg gegeben. Kleinfeld erlebte viele Schattenseiten, vom Stellenabbau über die BenQ-Pleite bis zum Schmiergeldskandal. Dennoch machte er bei der Halbjahres- Pressekonferenz in München keinen Hehl daraus, dass er mit Wehmut geht. Er bedauere, das "Unternehmen zu verlassen, das so ein wichtiger Teil meines Lebens in den letzten 20 Jahren war".
Schnell taut Kleinfeld auf, der zum Start als Konzernchef anfangs durchaus Probleme in der Außendarstellung hatte. Das schlimmste hat er mit der Rücktrittsankündigung nun erst einmal hinter sich, so kann er den Blick etwas entspannter zurückwerfen. Es möge doch bitte jeder die Hand heben, der vor zwei Jahren bei der Halbjahres- Pressekonferenz in Lissabon dabei gewesen sei, sagt der scheidende Vorstandschef. Damals hatte er versprochen, dass bis zum April 2007 alle Bereiche gleichzeitig die ehrgeizigen Renditevorgaben des Konzerns erfüllen. "Mir hat es viel Freude gemacht", sagt Kleinfeld mit Blick auf die Ankündigung vor zwei Jahren. Selbst im eigenen Haus hielten viele das Versprechen, an das Kleinfeld sein persönliches Schicksal knüpfte, für zumindest waghalsig.
Neuanfang notwendig
Ironie der Geschichte: Am Donnerstag konnte Kleinfeld stolz verkünden, dass er sein Versprechen gehalten hat. Alle Geschäftsbereiche erfüllen die Vorgaben, selbst der schwachbrüstige IT-Dienstleister SBS und die Verkehrstechnik, die sich in einer ausgesprochen schwierigen Branche bewegt. Kleinfeld aber muss trotzdem gehen. Zu viele im Umfeld des Konzerns halten in der Schmiergeldaffäre einen kompletten personellen Neuanfang für notwendig. "Wenn man 20 Jahre bei dieser Firma ist, dann liegt einem das Unternehmen am Herzen", sagte Kleinfeld. Die Entscheidung sei ihm sehr schwer gefallen, aber notwendig gewesen. "Aber so ist es halt." Er freue sich nun erst einmal auf ausgiebige Waldläufe am Wochenende und auf die Zeit mit seiner Familie. "Da freue ich mich riesig darauf." Zuletzt habe er schon von der Substanz gelebt.