Die Affären bei Siemens könnten für mehrere frühere Spitzenmanager ein teures Nachspiel haben: Der Technologiekonzern verlangt von elf ehemaligen Zentralvorständen Schadenersatz, darunter von den Ex-Konzernchefs Heinrich von Pierer und Klaus Kleinfeld. Die Manager der Jahre 2003 bis 2006 würden belangt, weil sie ihre Organisations- und Aufsichtspflichten angesichts illegaler Geschäftspraktiken und Bestechung vernachlässigt hätten, teilte das Unternehmen nach einer Sitzung des Aufsichtsrats mit, in der ein entsprechender Beschluss gefasst worden sei.
Zu den Betroffenen gehören neben von Pierer und Kleinfeld auch die Spitzenmanager Johannes Feldmayer, Thomas Ganswindt, Edward Krubasik, Rudi Lamprecht, Heinz-Joachim Neubürger, Jürgen Radomski, Uriel Sharef, Günter Wilhelm und Klaus Wucherer. Bevor Siemens die Klage gegen die einstigen Geschäftsverantwortlichen einreiche, werde ihnen Gelegenheit gegeben, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Die Aufsichtsräte gehen gegen die Manager offenbar vor, da sie sonst Aktionärsklagen gegen sich fürchten müssen. "Die Geltendmachung von Ansprüchen ergibt sich aus der Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber ihren Eigentümern", hieß es. Konkrete Summen oder Termine nannte der Konzern nicht.
Ex-Chef Heinrich von Pierer will die angekündigten Schadenersatzforderungen nicht hinnehmen. "Herr von Pierer nimmt die Entscheidung des Aufsichtsrates mit großer Betroffenheit und mit Bedauern zur Kenntnis. Selbstverständlich wird er sich gegen die gegen ihn erhobenen Vorwürfe und Forderungen zur Wehr setzen", sagte Pierers für Pressefragen zuständiger Anwalt Winfried Seibert der Deutschen Presse-Agentur in München.
Speziell bei Feldmayer und Wilhelm fordert Siemens Wiedergutmachung für Schäden, die durch verdeckte Zahlungen an die Gewerkschaft AUB entstanden sind. Siemens wird seit zwei Jahren von zwei großen Korruptionsaffären um schwarze Kassen und verdeckte Zahlungen an die Gewerkschaft AUB erschüttert. Bei Siemens flossen insgesamt rund 1,3 Milliarden Euro in dunkle Kanäle. Den Folgeschaden aus Strafen, Beraterkosten und Steuernachzahlungen bezifferte das Unternehmen bis Ende Juni auf 1,9 Milliarden Euro. Am Montag war ein früherer Direktor der einstigen Telekommunikationssparte als erster Beschuldigter in der Korruptionsaffäre zu einer Haftstrafe auf Bewährung und einer Geldbuße von 108.000 Euro verurteilt worden.
Siemens kappt alle Seile
Unternehmenskreisen zufolge will Siemens alle verbliebenen Verbindungen zu den Ex-Managern kappen. Sie sollen nicht mehr bei Mandaten unterstützt werden, Beraterverträge würden gekündigt. Außerdem könnten sie nicht mehr auf Vergünstigungen wie Dienstwagen oder Büros in Konzerngebäuden zurückgreifen. Damit verliert der jahrelange Konzern- und Aufsichtsratschef von Pierer auch sein Büro in der Münchener Zentrale.