Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hat davor gewarnt, beim Klimaschutz nur "Verzicht und Askese" für die Verbraucher zu predigen. "Da wollen sich einige nur um die viel härtere Aufgabe drücken, sich mit mächtigen Wirtschaftslobbys anzulegen", sagte Gabriel dem stern. "Wir müssen die Prioritäten richtig setzen. Ich kenne viele in der Autobranche, die sich diebisch freuen würden, falls wir uns jetzt ins Thema Tempolimit verbeißen, statt die Autoindustrie zu zwingen, spritsparende und CO2-arme Modelle zu entwickeln."
"Müssen uns Dinge trauen"
Gabriel kündigte in dem Zusammenhang das Ende der Selbstverpflichtung und zahlreiche gesetzliche Maßnahmen an. "Das gute alte preußische Ordnungsrecht wird noch fröhliche Urstände feiern, weil es anders gar nicht geht", so der Umweltminister. Neben der Autoindustrie, die den Kohlendioxid-Ausstoß ihrer Wagen nicht genügend reduziert hat, seien auch die Energieunternehmen ihrer Selbstverpflichtung für eine effizientere Stromerzeugung durch Kraft-Wärme-Kopplung nicht nachgekommen, so Gabriel. "Auch da müssen wir gesetzgeberisch ran."
Laut Gabriel gebe es auch keinen ernst zu nehmenden Klimaforscher, der sagt, dass Kernkraft beim Klimaschutz helfen würde: "Atomkraftwerke produzieren Strom und keine Wärme." Deshalb brauche man die vielen zusätzlichen Wärmekraftwerke, die alle aber alle CO2 emittieren würden. Gabriels Alternative ist die Kraft-Wärme-Kopplung mit 90 Prozent Wirkungsgrad. "Kernenergie hilft uns nicht," so der Minister. Eine längere Lauftzeit der Kernkraftwerke hält er für unnötig - ebensowenig wie ein Umdenken der SPD beim Thema Atomausstieg.
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Der in seiner Partei postulierte Anspruch, einer Revolution für den Klimawandel, präzisiert Gabriel noch weiter. Er fordert nicht weniger, als eine dritte industrielle Revolution: "Wir müssen uns Dinge trauen, die wir uns vor ein paar Jahren nicht getraut hätten." Aber dabei müssen die Menschen mitgenommen werden. Es dürfte nicht nur von Verzicht geredet werden, so Gabriel. "Natürlich kann man mal das Auto stehen lassen und mit dem Rad fahren, das ist auch gesünder. Aber für den Bundesumweltminister geht es um ganz andere Sachen."
Recht auf Mobilität
Er will die Kfz-Steuer künftig nach dem Schadstoffausstoß berechnen lassen. "Wer weniger CO2 emittiert, soll weniger Steuern zahlen." So sollen laut Gabriel die Menschen dazu gebracht werden, verbrauchsärmere Autos zu kaufen. Allerdings braucht er dazu die Unterstützung der Länder. Wobei Gabriel durchaus klar ist, dass Autofahren für viele Menschen schon jetzt zu teuer ist - und weiter Belastungen deshalb kaum möglich sind. "Für viele Menschen, die zur Arbeit fahren oder ihre Kinder zur Schule bringen müssen, ist es bereits zu teuer." Anders sei die Lage bei Firmenfahrzeugen.
Der Minister plädierte für eine begrenzte steuerliche Abzugfähigkeit von dienstlich verfahrenem Benzin. "Der Sprit für Dienstwagen sollte von den Unternehmen nicht länger in beliebiger Höhe steuerlich abgesetzt werden können", so Gabriel. "Beim Pflegedienst-Auto, das fünf Liter verbraucht, lassen wir das zu, aber nicht bei Wagen, die neun, zehn Liter oder mehr schlucken. Da schmeißen wir Milliarden zum Fenster raus." Gabriel sprach sich zudem für eine Pflicht der Autohersteller aus, den Schadstoffausstoß direkt am Wagen kenntlich zu machen. Im Autohaus müsse zu erkennen sein, "wie gut oder schlecht der Wagen im Vergleich zu anderen liegt", forderte er.
Gabriel rief die CDU/CSU-Politiker auf, die Umweltpolitik der Kanzlerin stärker zu unterstützen. "Es wäre schön, wenn sich die Kollegen in der Union stärker hinter sie stellen würden", sagte er weiter . "Da wird häufig in die entgegengesetzte Richtung gerudert." Angela Merkel sei vom Thema Umwelt "innerlich überzeugt". Aber, so Gabriel: "Bei aller Wertschätzung, sie ist und bleibt eine schwarze Kanzlerin."