Trotz weiterer Uneinigkeit im Tarifstreit mit der Bahn verzichtet die Lokführergewerkschaft GDL zunächst auf die angedrohten Streiks. Das kündigte Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee am Samstag nach mehrstündigen Gesprächen mit den Tarifparteien in seinem Ministerium an. GDL-Chef Manfred Schell zeigte sich zuversichtlich, den Konflikt bis Monatsende endgültig beizulegen.
Einigung beim wesentlichen Punkt
Tiefensee sagte, in einem der wesentlichen Streitpunkte, dem von der GDL geforderten eigenständigen Tarifvertrag, habe es eine Einigung gegeben. Inhalte nannte er aber nicht. GDL-Sprecher Maik Brandenburger sagte, diese über Monate strittige Frage sei im Sinne der GDL gelöst worden; es werde künftig einen eigenständigen Tarifvertrag für die Lokführer geben. Umstritten ist nach übereinstimmender Darstellung der Parteien nun vor allem noch die Höhe der künftigen Bezahlung der Lokführer.
Das Unternehmen hatte zwischenzeitlich Lohnerhöhungen von bis zu 13 Prozent angeboten und war damit auf die Lohnforderung der Gewerkschaft von mindestens zehn Prozent eingegangen. Nach dem zwischenzeitlichen Abbruch der Gespräche durch die GDL kurz vor Weihnachten hatte die Bahn-Führung alle Angebote aber wieder zurückgezogen.
Klarer Wille zur Einigung
Auf beiden Seiten sei ein klarer Wille erkennbar, innerhalb der nächsten Tage zu einer Einigung zu kommen, sagte Tiefensee. Die nächste Gesprächsrunde ist nach GDL-Angaben für Dienstag geplant. „Ich kann konstatieren, dass es eine völlig neue Dynamik gibt“, sagte der SPD-Politiker. Das Vertrauen zwischen Bahn und Lokführergewerkschaft sei deutlich gewachsen.
"Wir haben die Uhr angehalten", sagte Tiefensee. Das bedeute auch, dass Streiks grundsätzlich weiter denkbar seien. Er sei jedoch "vorsichtig optimistisch", dass es auch ohne Arbeitskampf zu einer Einigung komme. Die Gespräche sollten in den kommenden Tagen fortgesetzt werden.
Verhandlungen zuletzt beim Minister
Schell betonte, neben der Lohnfrage seien auch im Bereich der Arbeitszeitregelung noch Fragen offen. Er sei aber zuversichtlich, dass alle noch strittigen Fragen bis zum Monatsende gelöst werden könnten. "Dann soll der Tarifvertrag stehen", sagte er. Sein Sprecher Brandenburger ergänzte, die Möglichkeit weiterer Streiks sei theoretisch. Zunächst sei die Gewerkschaft zuversichtlich, dass es dazu nicht mehr kommen werde. Sollte es entgegen den Erwartungen doch noch zu fundamentalen Differenzen kommen, sei ein Arbeitskampf aber auch nicht auszuschließen.
Schell und Bahn-Personalvorstand Margret Suckale hatten als Verhandlungsspitzen ihre Gespräche zuvor von einem geheimgehaltenen Ort in das Ministerium verlegt und mit Tiefensee gemeinsam beraten. Die Verhandlungen am Samstag galten als letzte Chance, die von der Gewerkschaft ab Montag angekündigten bundesweiten Streiks der Lokführer abzuwenden. Die Verhandlungen zwischen Bahn und Lokführern dauern seit zehn Monaten an.
Wirtschaft fürchtete negative Auswirkungen neuer Streiks
Die GDL hatte mit bundesweit unbefristeten Streiks ab Montag gedroht, wenn es keine Einigung gebe. Von einem Bahn-Streik wären erneut Millionen Pendler und andere Reisende betroffen. Auch die Wirtschaft fürchtet negative Auswirkungen durch ausbleibende Zulieferungen. Die Bahn wollte einen eigenständigen Tarifvertrag für die Lokführer verhindern, weil sie um die Tarifeinheit im Unternehmen fürchtete. Mit den größeren Gewerkschaften Transnet und GDBA hatte das Unternehmen schon vor Monaten einen Tarifvertrag abgeschlossen, der Einkommenssteigerungen von 4,5 Prozent beinhaltet.