Kennen Sie den Film "Up in the air"? Darin fliegt George Clooney quer durch die USA und feuert im Auftrag seines Konzerns Mitarbeiter: Er landet, führt kurze Entlassungsgespräche, manchmal nur 90 Sekunden lang – und reist wieder ab.
Leider stimmt dieses Klischee auch dann, wenn US-Konzerne deutsche Firmen übernehmen. Ich begegne in diesen gerade übernommenen Unternehmen immer wieder Mitarbeitern, die sagen: "Die Firma wird uns das schon nicht antun, wir sind doch schon seit 20 Jahren hier!"
Die Wahrheit ist: Wenn "die Amerikaner" kommen, ändert sich die Unternehmenskultur. Es wird schneller gefeuert, ohne viel Mitgefühl, ohne Rücksicht darauf, wie lange man schon dabei ist. Bei einem meiner Kunden stand irgendwann ein komplettes Stockwerk leer!
Auch nach der Douglas-Übernahme durch den US-Konzern Advent erzählte 2016 ein Mitarbeiter Journalisten von der gedrückten Stimmung im Unternehmen, von Tränen und Verunsicherung: "Als die von Advent gekommen sind, hat es die 180-Grad-Wende gegeben."
Im selben Jahr war auch nach der Übernahme von Alstom durch General Electrics die Stimmung auf dem Tiefpunkt: Mitarbeiter fühlten sich "weggeworfen wie ein leerer Karton".
Und die Führungskräfte?
Realisieren fast immer viel zu spät, dass von jetzt an alles anders ist. Und: schweigen.
Dabei ist nach einer amerikanischen Übernahme gute Führung so dringend notwendig! Das betrifft jedes Jahr immerhin 130 - 140 Unternehmen in Deutschland – so viele werden jährlich von Amerikanern übernommen. Die Unternehmen machten dabei immer wieder 3 typische Fehler:
Fehler 1: Es wird zu spät reagiert
Als vor 13 Jahren mein damaliger Arbeitgeber von Amerikanern übernommen wurde, sagte mein Chef immer nur: "Ruhig Blut, es wird sich nichts ändern!"

Ich mochte das nicht glauben. Wer übernimmt schon eine Firma und verändert dann nichts?
Alle wirkten sehr gelassen – und dann brach plötzlich die Hölle los: Die neuen Eigentümer wollten völlig anders aufgezogene Reportings von uns, und zwar rückwirkend für mehrere Monate. Wir haben teilweise von 7 Uhr morgens bis abends 23 Uhr gearbeitet, Wochenenden durchgemacht, hatten kein Privatleben mehr.
Genau diesen Fehler sehe ich auch heute noch, wenn ich als Interimsmanagerin in betroffenen Firmen eintreffe: Meist werde ich nach einer amerikanischen Übernahme erst geholt, wenn die Hütte schon brennt.
Fehler 2: Die Mitarbeiter werden nicht richtig begleitet
Wenn die ersten gefeuert werden, überlegen sich natürlich viele: Sollte ich nicht lieber selbst gehen? (Hier finden Sie eine Entscheidungs-Hilfe, falls Sie selbst vor dieser Frage stehen.)
Meine Erfahrung ist: Die Besten fackeln da nicht lange.
Nach der Übernahme des deutschen Unternehmens Wincor-Nixdorf durch die US-Firma Diebold tönte denn auch der Deutschlandchef des Konkurrenz-Unternehmens NCR: "Wir haben sehr viele Bewerbungen bekommen von sehr, sehr guten Leuten".
Denn die Besten begreifen, dass sie nicht mehr für dieselbe Firma arbeiten, wie zuvor – und bewerben sich bei der Konkurrenz.
Kluge Führungskräfte bereiten ihre Mitarbeiter auf möglicherweise harte Zeiten vor, reden frühzeitig mit ihnen und geben ihnen das Gefühl, einbezogen zu werden. So lässt sich ein "brain drain" möglicherweise noch vermeiden.
Fehler 3: Die Psychologie wird unterschätzt
Selbst wenn längst auf den Fluren getuschelt wird, Gerüchte und Vermutungen kursieren, tun die meisten Manager weiter so, als sei alles bestens unter Kontrolle.
Dabei würden einige klare, ehrliche Worte so viel mehr helfen!
Denn Mitarbeiter, die mit Mutmaßungen und ihren Ängsten beschäftigt sind, geben nicht mehr ihr Bestes. Sie sind abgelenkt und demotiviert.
Simple Kommunikations-Routinen können Abhilfe schaffen. Es bräuchte nach einer amerikanischen Übernahme mehr Gespräche als je zuvor! Entscheidungen sollten begründet und erklärt werden.
All das passiert viel zu selten – ein fataler Fehler.
Wer diese drei Fehler vermeidet, wird merken: Eine amerikanische Übernahme ist nicht zwangsläufig eine Katastrophe. Ich zum Beispiel habe damals die Chance genutzt, mich auf die amerikanische Bilanzierung zu spezialisieren. Und noch eines habe ich durchaus zu schätzen gewusst: Als ich meinen damaligen Arbeitgeber schließlich verließ, habe ich mir eine gute Abfindung ausgehandelt.
Und das hätte es bei einem deutschen Unternehmen auch nicht gegeben.