Nicht jedes Restaurant ist auch für Rollstuhlfahrer zugänglich, nicht jede Verpackung verrät einem Blinden ihren Inhalt und eine Urlaubsreise ist für viele behinderte Menschen immer auch ein bisschen ein Abenteuertrip. Erst vor kurzem machte die Fluggesellschaft Ryanair Schlagzeilen, weil sie einer Gruppe blinder und sehbehinderter Fluggäste den Mitflug verweigerte. Oftmals sind es aber die kleinen Dinge, die behinderten Kunden signalisieren, dass sie willkommen sind.
"Als Konsument möchte ich mich beim Einkaufen wohl fühlen", sagt Martin Ladstätter, Vorstandsmitglied des Vereins BIZEPS-Behindertenberatungszentrum in Wien und selbst Rollstuhlfahrer. "Ein Geschäft, das ich als Rollstuhlfahrer nur schwer erreichen kann oder wo ich jemanden in meinem Auftrag hineinschicken muss, erzeugt natürlich negative Gefühle. In diesem Umfeld werde ich weniger oder gar kein Geld ausgeben."
"Es geht auch um ein Stück mehr Selbstständigkeit"
In den USA hat man das bereits erkannt. So versuchen viele amerikanische Unternehmen auch behinderte Menschen als Kunden zu gewinnen. Auf 175 Milliarden Dollar beziffert das amerikanische Arbeitsministerium die Kaufkraft von behinderten Amerikanern und ihren Familien. Für Deutschland gibt es zumindest im Tourismusbereich Zahlen: Einer Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums aus dem Jahr 2003 zufolge reisen jährlich etwa 3,64 Millionen Deutsche mit einer Behinderung. Sie sind für rund 2,5 Milliarden Euro Umsatz bei Übernachtungsreisen verantwortlich. Hinzu kommt: Im Jahr 2050 wird jeder Dritte in Deutschland 60 Jahre und älter sein, errechnete das Statistische Bundesamt in Wiesbaden. Und auch diese Gruppe wisse ebenerdige Eingänge und barrierefreie Angebote zu schätzen, meint Ladstätter.
Der französische Kosmetikhersteller L'Occitane hat behinderte Menschen als Zielgruppe erkannt und druckt seit Ende der 90er Jahre den Namen der Produkte zusätzlich auch in der Blindenschrift Braille auf seine Verpackungen. "Das Ganze geht auf eine Initiative unseres Firmengründers zurück", sagt der Geschäftsführer von L'Occitane Deutschland, Dejan Loncaric. Man habe sich überlegt, was Blinde brauchen, um die Produkte problemlos nutzen zu können und habe sich dann dafür entschieden, ein Mindestmaß an Informationen anzubieten, nämlich den Namen des Produkts. "Es geht auch um ein Stück mehr Selbstständigkeit", den das Unternehmen seinen blinden und sehbehinderten Kunden geben wolle.
Motorola setzt auf ein "Design für alle"
Doch längst nicht immer müssen es Sonderlösungen sein, die behinderten Menschen Zugang zu Produkten ermöglichen. Der Handyhersteller Motorola setzt auf ein "Design für alle". "Wir entwickeln Handys für den Massenmarkt", sagt Alexander Sigle, Produktmarketing-Manager bei Motorola Deutschland. Dennoch gebe es in der Designabteilung gewisse Richtlinien, die auch behinderten Menschen zu Gute kämen. Beispielsweise sei die 5 auf den Handys mit einem tastbaren Punkt markiert. Das käme allen Menschen zugute, die ohne Hinschauen eine Nummer wählen wollten. Eine weitere Funktion, die auch vielen behinderten Menschen nutzt, ist die Sprachsteuerung und Sprachwahl neuerer Geräte. Sie ermöglicht, Nummern per Sprache einzugeben und Namen aus dem Adressbuch anzuwählen. Zudem "spricht" das Handy mit dem Anwender, wenn es ihn nicht richtig verstanden hat. Dass diese Funktion nicht nur im Auto praktisch ist, sondern auch blinden oder motorisch eingeschränkten Menschen nutzt, darüber sei sich das Unternehmen durchaus bewusst, meint Motorola-Sprecherin Susanne Stier. "Wir wollen alle Zielgruppen bedienen."
Für Ladstätter sind Entwicklungen dieser Art begrüßenswert: "Es gibt immer mehr Unternehmen, die erkennen, dass sich Investitionen in Barrierefreiheit rechnen." Einerseits würden neue Kundengruppen angesprochen, andererseits werde diese Qualitätsverbesserung auch von bestehenden Kundengruppen gewürdigt. "Jede Mutter mit Kinderwagen freut sich über ein Geschäft, das selbst öffnende Türen hat."
Christiane Link/DPA