Zum Tod von Notker Wolf "Verzicht macht glücklich, probieren Sie es mal"

Abt Primas Notker Wolf
"Träumen Sie doch mal mit! Vieles funktioniert, wenn man es will", sagt Abtprimas Notker Wolf im stern-Gespräch. Diese Aufnahme zeigt ihn im Sommer 2014
© Future Image / Imago Images
Er war ein Ordensmann und meinungsstark. Im Jahr 2012 sprach Notker Wolf mit dem stern über seine Visionen für eine bessere Welt – und was dafür nötig wäre.

Notker Wolf war zeitweise oberster Benediktiner in Rom. Er war Rockmusiker in Mönchskutte, Gast in Talkshows. Er schrieb Bücher und war meinungsstark. Am 3. April ist Wolf mit 83 Jahren überraschend gestorben. Er sei auf dem Rückweg von einer Pilgerwallfahrt nach Italien gewesen, teilte seine Abtei St. Ottilien im Landkreis Landsberg am Lech mit.

Anlässlich seines Todes veröffentlichen wir an dieser Stelle ein Interview mit Notker Wolf aus dem stern-Archiv, das erstmals im April 2012 erschien. Der damals 71-Jährige war zu dieser Zeit Erster Abt des Klosters Sant'Anselmo in Rom sowie Professor für Naturphilosophie und Wissenschaftstheorie an der Päpstlichen Hochschule der Benediktiner in Rom. Als Abtprimas kümmerte er sich um die 24.000 Mönche und Nonnen des Ordens in über 840 Klöstern auf der ganzen Welt.

Herr Abtprimas, bei Ihnen sieht es aus wie in einem unaufgeräumten Wohnzimmer. Die Weltzentrale des Benediktinerordens stellten wir uns ganz anders vor... 
Das ist mein Wohnzimmer. In einer üppigen Vorstandsetage würde ich mich unwohl fühlen. Repräsentation definiert sich im guten Umgang mit anderen Menschen. Sie an Äußerlichkeiten zu knüpfen bedeutet Verarmung. 

Gibt es eine Managementregel, die Sie beherzigen? 
Der heilige Benedikt formuliert einen schönen Rat für Führungspositionen: Der Abt wisse, dass er mehr helfen als herrschen soll. Er sei nicht so stürmisch und nicht ängstlich, nicht maßlos und nicht engstirnig, nicht eifersüchtig und allzu argwöhnisch, sonst kommt er nie zur Ruhe. Wunderbar! 

Als wir Sie vor vielen Wochen nach einem Termin für dieses Gespräch baten, bekamen wir eine Mail von Ihnen. Da heißt es: "Bin gerade in Indien, dann in Südafrika, dann wieder in Rom..." Was führen Sie denn für ein hektisches Mönchsleben? 
Manchmal finde ich das auch. Aber ich bewahre mir meine innere Ruhe. Sonst würde ich verrückt. 

Was haben Sie auf Ihren Reisen beobachtet? 
Die Welt ist aus dem Lot geraten. Wir stehen vor der Entscheidung, ob wir, bildhaft gesprochen, auf einer Autobahn weiterrasen, die zur Zerstörung unserer Lebensgrundlagen führt, oder ob wir die nächste Ausfahrt nehmen, umkehren und unseren Lebensstil überdenken. 

Erschienen in stern 15/2012

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