Die ganzseitige Vierfarb-Anzeige eines Automobilherstellers zeigte das Foto einer Männerunterhose mit seitlichem Eingriff. Überschrift: "Wer seine Geschäfte schneller erledigen will, muss auch seitlich rankommen können." Das zu bewerbende Produkt, ein Transporter, war nur in Briefmarkengröße abgebildet. Detaillierte Infos zum Auto fehlten.
Zu oft reine Clownerie
Der Autor und Werbepraktiker Kay Tangermann aus Hamburg nennt in seinem neuen Buch, "Werbung - der Milliardenpoker" (Knaur Verlag, 320 S., 12,90 Euro), diese Anzeige als ein typisches Beispiel für verfehlte Werbeanstrengungen: Es erscheint zweifelhaft, ob sie auch nur bei einem einzigen potenziellen Kunden Interesse an dem angebotenen Transporter weckte. Nach Auffassung Tangermanns vernichten "Denkfehler" dieser Art Jahr für Jahr Milliarden Euro. Statt Motor der Wirtschaft zu sein verliere sich ein Großteil der Werbung in Clownerie und Nabelschau.
Eine kritische Revue
Ein anderes Beispiel seiner "Revue von Absurditäten und Hilflosigkeiten": Das Plakat einer Fluglinie zeigte den nackten Popo eines Mädchens, auf dem Sand haftet. Die Schlagzeile: "Urlaub ohne Air ... ist wie Impo ohne Sand." Den möglichen Einwand, dass solche Anzeigen ja auch nur Aufmerksamkeit erregen sollen, lässt der Autor nicht gelten. Dies sei "kinderleicht". Doch Aufmerksamkeitswirkung sage nichts über die Bewirkung von Kaufbereitschaft.
Auch Stars retten nicht vor Konzeptlosigkeit
Als besonders krasse Fehlinvestition nennt er in diesem Zusammenhang die mit einem Spitzenfilmstar bestückte, 22,5 Millionen teure Kampagne eines Energiekonzerns für ein neues Produkt. Sie habe zwar riesige Aufmerksamkeit gefunden, jedoch nur 1.100 neue Kunden gebracht.
"Platitüden und Leerformeln"
Tangermann präsentiert auch eine lange Liste von "Leerformel"- Schlagzeilen, die einige Zehntausende bis Hunderttausende von Euro pro Stück kosteten - darunter: "Geld macht glücklich", "Kompetenz für neue Herausforderungen", "Gemeinsam sicheren Kurs steuern", "Was zählt ist Zukunft", "Überlassen Sie nichts dem Zufall", "Qualität entscheidet", "Wir halten gern, was wir versprechen". Hier werde mit nicht zu erschütternder Selbstverständlichkeit erwartet, bemerkt der Autor, "dass der überlastete Leser, dem viele andere Dinge durch den Kopf schwirren, nichts Besseres zu tun hat, als das Rätsel von Leerformeln und Platitüden zu lösen."
Zur Not ist's Imagewerbung
Als eine besondere Kategorie potenzieller Fehlinvestitionen beleuchtet der Autor die Imagewerbung. Da warb etwa eine Autofirma im "Spiegel" mit einer ganzseitigen Farbanzeige, in der der Innenraum ihres Produkts mit dem Spiegelsaal von Versailles verglichen wurde. Auf die Frage, wie viele Interessenten sich denn gemeldet hätten, kam die Antwort: zwanzig. Und: "Die Anzeige soll gar kein Auto verkaufen. Wir wollen ja nur Image bilden. Den Erfolg kann man sowieso nicht kontrollieren. Das kann keiner." Die Frage, wie viele Personen sich denn bei den Händlern gemeldet hätte, blieb unbeantwortet. Ein Modeunternehmen pries in einem anderen auflagestarken Magazin ganzseitig "Mode für Sie" mit dem Foto eines 08/15-Jackets und einer Hose ohne Kopf und Füße des Modells an. Gefragt nach dem Erfolg der teuren Anzeige sagte es: "Unsere Kampagne ist eine reine Imagekampagne, die auf eine elitäre Positionierung ausgerichtet ist. Sie soll unsere Marke mit Flair und dem Image des Besonderen ausstatten."
Forderung: Konkurrenzbezogen denken
Tangermann hält von solcher Werbung nicht viel. Ihm scheint es vor allem wichtig, dass aus Werbung gelernt wird. "Werbewirkung ist nicht das, woran sich die Verbraucher erinnern, sonder was sie gelernt haben und was ihr Handeln beeinflusst" Es gelte, konkurrenzbezogen zu denken. Was habe ich zu bieten, was meine Konkurrenz nicht bietet.
Ärzte begraben ihre Fehler, Werber publizieren sie
Der Sprecher des Zentralverbandes der deutschen Werbewirtschaft (ZAW), Volker Nickel, sagt zu dem Buch: "Ärzte begraben ihre Fehler. Werbefachleute publizieren sie. Das macht Tangermanns Abrechnung mit dilettantischer Werbung so sympathisch." Andererseits: "Was beim Sündenkatalog des Werbeprofils weitgehend fehlt, ist die andere, die erfolgreiche Seite kommerzieller Kommunikation": Welche Firma publiziere schon positive Effekte ihrer Werbung - das mache nur die Konkurrenz schlau.