Krankenkassen-Beiträge Darf's noch etwas mehr sein?

Die Ausgaben der Krankenkassen steigen: 160 Milliarden Euro geben sie im Jahr aus. Die meisten gesetzlichen Mitglieder müssen ab 2009 wohl mit höheren Beiträgen rechnen. Jetzt entscheidet sich, wie hoch diese tatsächlich sind - und auch, ob die Große Koalition das 40-Prozent-Ziel bei den Lohnnebenkosten erreichen kann.

Die Stunde der Wahrheit rückt näher. Die 51 Millionen Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen und ihre Arbeitgeber erfahren diese Woche, was sie ab 2009 an Beitrag zahlen müssen. Für den Großteil wird es wohl mehr sein als heute. Klar wird bald auch, ob die Koalition das Ziel schafft, die Sozialabgaben unter 40 Prozent zu halten. Während Konjunkturängste im Schatten der Bankenkrise zunehmen, fragen sich Parteistrategen immer konzentrierter, wie die Veränderungen im Wahljahr 2009 ankommen.

Seit Montag sitzen offizielle Finanzspezialisten für die Krankenversicherung zusammen. Bis Mittwoch oder Donnerstag verrechnet der Schätzerkreis in Bonn hinter verschlossenen Türen aufwendig gesammelte Prognosen miteinander. Ein Ergebnis steht schon vorher fest: Die Ausgaben für Ärzte, Kliniken und Arzneien klettern wieder weit schneller als die Einnahmen. Folge: Beim Beitrag für alle rund 215 Kassen steht dann wohl die Rekordzahl 15 vor dem Komma und mindestens eine stolze fünf dahinter. Die Bundesregierung legt den Beitrag auf Grundlage der Schätzung zum Start des Gesundheitsfonds erstmals selbst fest, in Kabinettsrunden am 7. und Ende Oktober.

160 Milliarden Gesamtausgaben

Präsentiert wird damit die Rechnung für die beschlossenen rund 2,7 Milliarden Euro mehr für die Kassenärzte und drei Milliarden für die Krankenhäuser. Medikamente schlagen mit plus zwei Milliarden zu Buche. Insgesamt geben die Kassen dann rund 160 Milliarden Euro im Jahr aus. Auf der Habenseite können die Kassen zusätzlich 1,5 Milliarden vom Steuerzahler verbuchen.

Die Kasseneinnahmen hängen zudem davon ab, wie hoch die Löhne nächstes Jahr ausfallen und wie es auf dem Arbeitsmarkt weitergeht. Vorhersagen der kommenden Konjunkturprognose fließen schon ein. Von wohl plus rund zwei Milliarden Euro ist in Regierungskreisen die Rede. Die Finanzmarktkrise wirkt freilich abkühlend. Die Leitung des Schätzerkreises fällt dem Bundesversicherungsamt zu - Amtspräsident Josef Hecken räumt eine zwangsläufige Prognose-Unsicherheit ein. Er versichert aber: "Wir wollen die so gering wie möglich halten."

Zusatzbeiträge schon ab 2009

Einiges spricht dafür, dass die Koalition das 40-Prozent-Ziel bei den Lohnnebenkosten schaffen kann. Allerdings nur, weil sie den Sonderbeitrag der Arbeitnehmer von 0,9 Prozent nicht mitrechnet. Doch wirklich abgerechnet wird bei den Angestellten ohnehin später: Der Beitrag aufs Einkommen bleibt für sie wohl meistens keineswegs der einzige Minusposten. Manche Kassenmitglieder dürften schon 2009, viele in den Jahren darauf Zusatzbeiträge zahlen. Denn die Kosten werden dann nicht mehr voll vom Gesundheitsfonds abgedeckt; erst bei 95 Prozent Kostendeckung hebt die Regierung den Beitrag von Arbeitnehmern und Arbeitgebern an.

Die Kosten aber steigen. Der Behandlungsbedarf wächst, die Menschen werden älter, die Therapien teurer. Neue Präparate treiben die Ausgaben in die Höhe. Und die traditionelle Grundstruktur des Gesundheitswesens kostet - etwa die vielen Kliniken. Auch bei den Arzneimitteln tut sich die Bundesregierung mit Ausgabenbremsen schwer.

Anfänglicher Sparkurs der Kassen

Viele Kassen dürften anfangs sparen, wo sie können, bis sie allmählich auch stärker durch Angebote und Service in Wettstreit treten, erwartet der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem. In einigen Jahren kann nach Ansicht von AOK-Chef Hans Jürgen Ahrens trotzdem kaum eine Kasse mehr Zusatzbeiträge vermeiden. Barmer-Chef Johannes Vöcking: "In drei bis vier Jahren werden alle dabei sein."

Vöcking meint, im Fall einer liberal-konservativen Regierung nach der Wahl 2009 steige die Belastung der Versicherten im Verhältnis stärker als der Beitragssatz. Nach geltendem Recht ist der Zusatzbeitrag zwar bei einem Prozent des Bruttoeinkommens gedeckelt. Aber per Änderung könnte die Union aus dem Fonds die von ihr gewünschte Gesundheitsprämie basteln: Der Arbeitgeberanteil wird eingefroren - Mehrkosten tragen die Versicherten, Geringverdiener bekommen einen Ausgleich. Die Sozialdemokraten wollen stattdessen Privatversicherte und andere Einkommen in gesetzliche Versicherung und Fonds bringen.

DPA
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