Vielleicht liegt es daran, dass dieser Mann viel in luftigen Höhen arbeitet, wenn er seine Graffiti anbringt. Jedenfalls hat Banksy, der derzeit berühmteste Street-Art-Vertreter der Welt, einen formidabel freien Blick auf die Menschen und ihr Treiben behalten. Den klatscht er nun bissig, vergnügt und voll kritischem Tiefsinn mit seinem ersten Kinofilm auf die Leinwand.
Banksy
Der Legende nach ist Banksy 1974 im britischen Bristol geboren, aber so genau weiß dass niemand. Fakt ist, dass seine ironisch-gesellschaftskritischen Graffiti in den 90er Jahren in Großbritannien auftauchten und sich in den Folgejahren in der Welt verbreiteten - von Australien bis Israel. Die Botschaften seiner Bilder und Installationen sind durchweg pazifistisch, antikapitalistisch und anti-Establishment. Banksy überlässt seinen Fans seine Entwürfe kostenlos auf seiner Website, um der Kommerzialisierung zu entgehen. Er hat Bücher im Eigenverlag verfasst. "Exit Through The Gift Shop" ist sein erster Film.
"Exit Through The Gift Shop" (in etwa: Ausgang durch den Museumsshop) beantwortet nicht weniger als die Frage, was in unserer Zeit Kunst ist, was sie bedeutet und welchen Preis sie hat. So dröge das klingt, Sie werden trotzdem vor Lachen vom Sitz rutschen. Schuld daran ist vor allem Thierry Guetta, ein wunderbar durchgeknallter Franzose, der einen Secondhand-Laden in Los Angeles betreibt, und einen beeindruckenden Videofetisch pflegt. Er filmt alles: Familie, Freunde, Fremde und natürlich immer wieder sich selbst. Als er eines Tages einen Street-Art-Künstler trifft, konzentriert er seine Besessenheit auf diese Kunst, reist durch die Welt, um die Geschichte der Street Art zu erzählen, flüchtet vor der Polizei und stolpert dabei immer wieder über Leitern und Farbeimer. Guetta ist eine sprachlos machende Mischung aus Charlie Chaplin und Zach Galifianakis aus "Hangover".
Wenn Sie sich gerade wundern sollten, dass es ja gar nicht um Banksy geht: Das ist auch Banksy aufgefallen. Und so verkündet er - selbstredend ohne sein Gesicht zu zeigen und mit verstellter Stimme -, dass Thierry Guetta zwar eigentlich einen Film über Banksy machen sollte, dass der Mann mit der Kamera aber wesentlich interessanter sei als der ohne. La voilà.
Des Wahnsinns fette Beute dreht dann so richtig auf, als Guetta beschließt, selbst Künstler zu werden. So erfährt der Zuschauer hautnah, was er schon immer über die Kunstszene wissen wollte, aber nie zu fragen wagte. Oder wie Banksy es formuliert: "Unterschätze niemals die Macht eines dicken, goldenen Rahmens."
Klein, dick und überkandidelt
Das am Herzen rührend Großartige dieses Films ist, dass er bei all den Geschichten über die Anfänge und Entwicklung der Street Art, über wilde Kunstaktionen und menschliches Versagen seinen Betrachter völlig im Unklaren darüber lässt, ob Banksy in "Exit Through The Gift Shop" überhaupt auftaucht. Vielleicht gibt es auch gar keinen Mann namens Thierry Guetta, sondern nur einen strubbeligen, überkandidelten Schauspieler, der sich so nennt. Vielleicht sitzen wir gerade einem Street-Art-Märchen auf. Aber das ist alles völlig egal. Denn nach den viel zu kurzen 87 Minuten, die der Film dauert, ist man einfach nur in Banksy und seinen Blick auf diese Welt verliebt. Und dann ist da noch dieses Lied, das einem nicht mehr aus dem Kopf geht...