Geht das wirklich – Subkultur bleiben und trotzdem Mainstream sein? Heimlich, bei Nacht, Street Art an katalanische Mauern sprühen und dann, Tage oder Wochen später, für eine Luxusuhrenmarke in Mailand eine Installation einrichten? Ja, doch, das geht. Jedenfalls, wenn man TVBOY heißt.

Der Italiener meistert den Spagat zwischen Hoch- und Independentkultur mittlerweile mühelos. Nun weiß man über den Mann hinter dem Pseudonym durchaus ein wenig mehr als über Banksy, der ja immer als Referenz herhalten muss, wenn irgendwo ein politisches Graffito auftaucht. TVBOY, das ist nämlich Salvatore Benintende, am 16. Juli 1980 in Palermo geboren. Er hat Industriedesign studiert, war in Bilbao auf der Fakultät der Bildenden Künste – und zog schließlich der Liebe wegen nach Barcelona.
Dort ist er groß und immer größer geworden, eine Ikone unter den tausend Sonnen der Rambla.
Wieso? Weil er, Geheimnis seiner Kunst, in Bilder packt, was viele umtreibt. Layouts findet, in denen sich mehr als nur eine Szene bündelt: ein Gefühl, ein Konflikt, eine Konfrontation. Berühmt wurde TVBOY anno 2017, am Tag des Heiligen Jordi, dem Schutzpartron der katalanischen Liebenden. Normalerweise schenken sich einander Zugeneigte zu diesem Anlass ein Buch und eine Rose.
Aber wer wollte denn noch an Bücher oder Rosen denken, als da in einer Straße plötzlich ein leidenschaftlicher Kuss zwischen Messi und Ronaldo zu bestaunen war! Das Bild schaffte es von einer Mauer in Barcelona in die ganze Welt, in Zeitungen, ins Fernsehen, in die sozialen Netzwerke. TVBOY war plötzlich wer – wer genau? Daraus machte er, Marketingstratege in eigener Sache, nun erst recht ein Geheimnis. Aufmerksamkeit, das weiß der Street Artist, ist ein knappes Gut. Und während das manche dazu treibt, sich in Zeiten der permanenten Verfügbarkeit ständig zu inszenieren, verknappte TVBOY sein Werk, sich selbst damit auch. Machte sich rar, wurde dadurch noch interessanter.
Ließ die Mauern für sich sprechen.
Längst haben ihn auch Museen und Galerien entdeckt, ist die Straße in den Betrieb eingewandert, auch das Verdienst. TVBOY bricht die Grenzen zwischen den Disziplinen auf, bei ihm gibt es also auch kein Drinnen oder Draußen mehr. Höchste Zeit, seine überbordende, nie versiegende Produktion mit einem ersten Buch zu bannen, aus dem stern.de hier einige Auszüge zeigt. Es werden, so viel ist sicher, nicht die letzten Werkschauen sein.