Comeback-Auftritt von Whitney Houston in Berlin "Diese Frau gehört nicht mehr auf die Bühne"

  • von Theresa Breuer
Es sollte ihr vielumjubeltes Comeback werden. Auf ihrer Welttournee gibt Whitney Houston auch zehn Konzerte in deutschen Großstädten. Schon bei ihrem ersten Auftritt in Berlin enttäuschte Whitney ihre Fans bitterlich. Der Absturz einer Diva.

Whitney Houston steht auf der Bühne. Endlich der Song, auf den alle gewartet haben: "I will always love you". Sie setzt an, atmet schwer, presst die erste Strophe heraus. In der gut gefüllten O2-Arena in Berlin herrscht bange Stille. Schafft sie den Refrain, wird sie die hohen Töne treffen? Doch Whitney bricht ab, sammelt sich, steht mit dem Rücken zum Publikum, trinkt Wasser, ringt nach Atem. Die Band überbrückt den Aussetzer instrumental. Nach einer gefühlten Ewigkeit tritt die Diva wieder ans Mikrofon - und bricht erstmal in schepperndes Gelächter aus. Das Publikum ist sichtlich irritiert. Dann singt sie ihn, den weltberühmten Refrain. Doch die Melodie, die da aus Whitneys Kehle krächzt, erinnert nur noch sehr entfernt ans Original. Sie bricht das Lied vorzeitig ab.

Sie war eine Frau der Rekorde

Es war eine Karriere wie aus dem Bilderbuch. Whitney Houston, Tochter der Gospelsängerin Cissy Drinkard, war gerade mal 17 Jahre alt, als Clive Davis, Chef der Plattenfirma Arista Records, sie in einem Nachtclub singen hörte. Er sah ihr Potenzial, nahm sie zwei Jahre später unter Vertrag. Whitneys erstes Album aus dem Jahr 1985 ist bis heute eines der meist verkauften Debüt-Alben weltweit. Ihre zweite Platte, die den schlichten Titel "Whitney" trug, schoss von null auf eins in den amerikanischen Verkaufscharts. Sie war nicht nur die erste farbige Sängerin, der das gelang, sie war die erste Sängerin überhaupt.

Whitney Houston, eine Frau der Rekorde. In den achtziger Jahren erlangte sie in den USA sieben Nummer-Eins-Hits in Folge – auch das hatte vor ihr noch niemand erreicht. Im Laufe ihrer Karriere sollten es insgesamt elf Top-Platzierungen in den Charts werden. Bis dato hat die Sängerin über 175 Millionen CDs verkauft.

Sie war das Fünf-Oktaven-Wunder. Ihre Stimme, eine Stradivari unter Geigen. "The Voice" nannten Fans und Medien Whitney Houston in ihrem Heimatland USA. Eben diese Stimme war es, dir ihr sechs Grammys bescherte. Beim Superbowl 1991 durfte sie die amerikanische Nationalhymne singen, eine Ehre. Als ob das nicht genug wäre, kam ihre Schönheit hinzu. Noch vor ihrer Sangeskarriere zierte sie die Titelblätter von Magazinen wie "Seventeen" und "Glamour".

Nichts übrig von der Grazie

"Ist sie das?", fragt ein irritierter Fan, als Whitney auf die Bühne tritt. Kaum zu glauben, die pummelige Frau, die sich in Presswurstmanier in schwarze Lederkleidung zwängt, war mal eine der begehrenswertesten Frauen der Welt. In ihrer wenig vorteilhaften Montur stakst sie ungelenk über die Bühne. Auch der Garderobenwechsel nach der Hälfte des Konzerts bringt keine Verbesserung. Der weiße Schlauch, in dem sie nun erscheint, ist eigentlich ein elegantes Abendkleid, sieht aber durch Whitneys hervortretende Wampe einfach nur erschreckend aus. Nichts ist übrig von ihrer einstigen Grazie, ihrer Anmut.

Schönheit und Stimme – kein Wunder, dass bald Hollywood auf sie aufmerksam wurde. 1992 spielte sie an der Seite von Oscar-Preisträger Kevin Costner in dem Film "Bodyguard" eine Sängerin, die von einem verrückten Fan verfolgt wird. Der Streifen spielte über 400 Millionen Dollar ein. Den Titelsong zum Film lieferte Whitney gleich mit, "I will always love you" hielt sich sage und schreibe 14 Wochen an der Spitze der amerikanischen Charts. Es war der Höhepunkt ihrer Karriere.

Dann kam der Absturz. "The Bodyguard Years" nennt sie heute die Jahre nach ihrem ersten Kino-Erfolg. Schritt für Schritt begab sie sich auf die dunkle Seite des Ruhms. Während ihre musikalische Karriere noch glänzend lief und sie auch weitere erfolgreiche Hollywood-Streifen drehte, wandelte ihr Privatleben sich zusehends zur Katastrophe - beschleunigt durch die Ehe mit R'n'B-Sänger Bobby Brown. Seit 1992 war das ungleiche Paar verheiratet. Er, der mittelmäßig erfolgreiche Bad Boy aus den harten Straßen Bostons, sie, der schöne Star, dem die Welt zu Füßen lag.

Häusliche Gewalt und Drogensucht

Bobby Brown war auf ihren Erfolg eifersüchtig. Um ihn nicht zu verlieren, machte Whitney sich zu Hause klein, war ihm fast schon hörig. Gerüchte von häuslicher Gewalt geisterten durch die Presse, einmal spuckte Brown ihr ins Gesicht, die gemeinsame Tochter bekam es mit. Hinzu kamen Drogen. Anfang der Neunziger rauchten die beiden gelegentlich Marihuana, konsumierten hin und wieder auch Kokain. Irgendwann lief es aus dem Ruder. All das erzählte Whitney in Oprah Winfreys Talkshow im September 2009. Auch, dass sie und Bobby manchmal über Wochen kein Wort miteinander sprachen, nur vor dem Fernseher saßen und im Vollrausch versanken.

2009 hätte der Beginn eines Comebacks sein sollen. Diverse Entziehungskuren, ein neues Album, die erste Welttour seit zehn Jahren. Doch es hat nicht sollen sein. Bitter enttäuschte Fans verlassen noch während des Konzerts die O2-Arena. 50 bis 100 Euro mussten sie für eine Karte hinblättern. Viel zu viel um eine abgehalfterte Diva zu sehen, die ungefähr die Hälfte des Konzerts noch nicht mal singt, sondern über Gott, die Welt und Michael Jackson schwadroniert. Die Fans hören nicht mehr richtig zu, einige quittieren ihr Verhalten mit Buh-Rufen. Ein Mann in der zwölften Reihe starrt den Großteil des Auftritts mit schmerzverzerrtem Gesicht zur Bühne und schüttelt resigniert den Kopf.

Freakshow vor enttäuschten Fans

"Diese Frau gehört nicht mehr auf die Bühne", blafft ein Fan. Entnervt von den ewigen Pausen zwischen den Stücken, einmal verschwindet Whitney sogar ganz von der Bühne während ihr Bruder Gary Garland Houston singt, ist er inzwischen an die Bar im Foyer geflüchtet. Ein Ehepaar, Whitney-Fans der ersten Stunde, verlassen mit entsetzten Gesichtern den Saal.

"Darf ich Sie fragen, wie Ihnen das Konzert gefallen hat?" "Lieber nicht", antworten sie und trotten betrübt Richtung Ausgang.

Es ist schwer zu verstehen, warum sie sich das antut. Ist es die Sucht nach Ruhm und Applaus? Die Gier nach Geld? Hier in Berlin sieht es nicht danach aus, als wäre sie auch nur willens, eine gute Show zu bieten. Vielleicht ist sie aber auch schon so abgestumpft, dass sie diese Freakshow für ein gelungenes Konzert hält.

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