Linguistik Stare sind Grammatik-Stars

Dass Tiere zwitschern, grunzen und bellen, um sich zu verständigen, wissen Forscher schon lange. Der eingeschobene Nebensatz aber galt bisher als menschliche Errungenschaft. Nun weiß man: Auch Stare können ihn lernen.

Stare können einfache grammatikalische Muster lernen, die bisher als charakteristisch für die menschliche Sprache galten. Sie können zwischen einem normal gezwitscherten "Satz" und einem gezwitscherten "Satz" mit eingeschobenen Nebensätzen unterscheiden, berichten Timothy Gentner von der Universität von Kalifornien in San Diego und seine Kollegen in der Zeitschrift "Nature".

Gentner brauchte einen Monat und 15.000 Versuche, damit die Vögel die Grundsätze der Grammatik wahrnahmen. Mit Bergen von Vogelfutter als Belohnung brachte er den Vögeln bei, mit ihren Schnäbeln auf Knöpfe zu picken, sobald ein bestimmtes, verschachteltes Muster von Vogelgezwitscher zu hören war. Handelte es sich um ein einfaches Muster, sollten die Stare nicht reagieren. Nach dem Training wählten neun der elf Vögel in 90 Prozent der Fälle das von Gentner entwickelte Gezwitscher mit eingefügtem Nebensatz aus. Die beiden anderen Vögel ignorierten weiterhin die Grammatik.

Linguisten sind verblüfft

Das Merkmal, das die Wissenschaftler untersuchten, ist in allen menschlichen Sprachen zu finden: die so genannte Rekursion. Diese Struktur erlaubt es, Wörter oder Sätze ineinander einzubetten. So kann beispielsweise der Satz "Das Buch ist sehr spannend" in die komplexere Struktur "Das Buch, das auf dem Tisch liegt, ist sehr spannend" umgeformt werden. Theoretisch kann diese Verschachtelung unendlich oft weitergeführt werden.

Dass die Vögel dies lernen konnten, wird vielleicht die komplette Sprachforschung durcheinanderbringen. Denn obwohl viele Tiere brüllen, singen oder grunzen können, glaubten Linguisten bisher, dass Sätze mit eingefügtem Nebensatz ausschließlich Menschen erkennen können und nicht auch Tiere.

Grammatikalisch komplexes Rätsch-Rätsch-Triller-Triller

Um die grammatischen Regeln für Stare verständlich zu machen, hatten die Forscher aus Tonaufnahmen von verschiedenen Träller- und Rätschlauten künstliche Stargesänge zusammengebaut. Einige davon waren nach den Regeln der rekursiven Grammatik aufgebaut: In einen Rätsch-Triller-Grundlaut betteten die Forscher eine zweite Tonfolge ein, was dann eine Rätsch-Rätsch-Triller-Triller-Melodie ergab. Nachdem die Vögel das Grundmuster erkannt hatten, konnten sie auch neue Gesänge problemlos einordnen.

Dies zeige, dass Sprache und das Erkenntnisvermögen von Tieren weitaus komplizierter ist, als Forscher jemals angenommen haben, sagte Jeffrey Elman, Professor der Kognitionswissenschaft an der gleichen Universität. Es zeige auch, dass es kein "einzelnes Wundermittel" gebe, das den Menschen vom Tier unterscheide, sagte Elman.

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AP/DDP

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