Der Titel entführt Xbox-360-Besitzer in eine Welt, in der Magie und Mechanik herrschen, blutige Kriege toben und die Soldaten unglaublich dämliche Helme tragen. Vom modischen Fauxpas einmal abgesehen, muss man Sakaguchi jedoch Tribut zollen. Der Mann versteht es, fantasievolle Szenarien mit einzigartigem Look und interessanten Charakteren zu kreieren - wie etwa den Unsterblichen Kaim Argonar, der seit 1.000 Jahren über die Erde wandelt, sein Schicksal als Fluch empfindet und an Amnesie leidet. Für gewöhnlich ist Gedächtnisschwund eine Storygrundlage zum Vergessen, doch in "Lost Odyssey" ist er ein wunderbares Mittel zum Zweck. Während seines Streifzugs durch die Republik Uhra, den Ozeanfreistaat Numara und das Königreich Gohtza kehren Kaims Erinnerungen in Form von melancholischen Träumen und Kurzgeschichten zurück, deren Lektüre schon mal mehrere Minuten dauern kann ...
Ohnehin ein generelles Problem von "Lost Odyssey": Die episch angelegte Handlung kommt nur langsam in Fahrt. Sie beginnt zwar mit einer Intro-Katastrophe apokalyptischen Ausmaßes, nimmt sich dann aber eine lange Auszeit, ehe es auf den letzten beiden Datenträgern noch einmal ordentlich zur Sache geht. Wobei: Überraschen kann die Geschichte vom ewigen Kampf Gut gegen Böse trotz aller philosophischen Ansätze und Parallelen zur politischen Realität nicht. Auch der Gegenspieler entpuppt sich als wenig charismatisch - was verwundert, wurden die restlichen Figuren, allen voran der androgyne Held und seine Begleiter, doch liebevoll ausgearbeitet.
Rund 40 bis 60 Stunden müssen geneigte Xbox-360-Zocker für diese Odyssee investieren, je nachdem, wie viel Zeit sie in Nebenaufgaben und diverse Minigames stecken wollen. Für ein Spielchen zwischendurch eignet sich der Fernost-Import jedoch nicht. Zu weit liegen die Speicherpunkte auseinander, um mal eben für eine halbe Stunde in das Geschehen einzutauchen. Hinzu gesellt sich ein Gameplay-Relikt aus alten Genre-Tagen, das eine Terminplanung unmöglich macht: Zufallskämpfe. Stolpern Kaim und seine Kumpels beim Durchforsten der Level versehentlich über eine Monsteransammlung, schaltet das Spiel in einen Kampfmodus um, in dem es rundenweise mit Schwert und Magie zur Sache geht. Unterschiedliche Formationen, Element-Anfälligkeiten und das sogenannte Ringsystem bringen taktische Tiefe in die mitunter kniffligen Kloppereien - vor allem, wenn Kaim und Co. gegen gewaltige Bossgegner zu Felde ziehen. Für Siege gibt es traditionsgemäß Erfahrungspunkte, Gold und neue Waffen.
Apropos: Technisch ist "Lost Odyssey" ein zweischneidiges Schwert. Einerseits glänzt das Game, das auf der "Unreal Engine 3" fußt, durch schmucke Cutscenes, detaillierte Helden und schöne Effekte. Dann wiederum versumpfen manche Landstriche im groben Texturenmorast. Ruckler, Slowdowns und unglaublich viele Ladepausen nehmen zusätzlich Tempo aus dem Spiel.
Über jeden Zweifel erhaben ist indes die erstklassige Sound- und Musikuntermalung. Microsoft übersetzte die Textfluten einwandfrei ins Deutsche. Auch die Synchronsprecher überzeugen auf ganzer Linie. Für die orchestrale Erhabenheit sorgte der Square-Enix-Hofkomponist Nobuo Uematsu, der mit leisen Tönen und pathetischem Bombast stets die passende Kulisse schafft.
Lost Odyssey
Hersteller/Vertrieb | Mistwalker/Microsoft |
Genre | Rollenspiel |
Plattform | Xbox 360 |
Preis | ca. 70 Euro |
Altersfreigabe | ab 12 Jahren |
Am Rande: In Japan verkaufte sich der Titel bereits rund 100.000 Mal, weshalb "Lost Odyssey" nun zur Serie ausgebaut werden soll.